Theresa Olkus: Du warst 2019 in der ganzen Welt unterwegs. Unter dem Motto „Driving home for Christmas“ hast du jetzt deine Rückkehr angekündigt. Fühlst du dich schon wieder ganz wie zuhause?
Julia Komp: Nein, eigentlich überhaupt nicht. Heute kamen meine Sachen aus dem Container wieder mit allen Dingen, die eingelagert waren wie zum Beispiel Equipment und Klamotten. Wenn man es aber genau nimmt, bin ich aktuell noch wohnungs- und arbeitslos, dafür aber schon voller neuer Pläne (lacht).
Lass uns davor über das Jahr 2016 sprechen. Erinnerst du dich noch gut an den Tag, als du zur jüngsten Sterneköchin Deutschlands gekürt worden bist?
Ja. In dem Moment als ich das schwarz auf weiß vor mir sah, war ich wirklich zum ersten Mal in meinem Leben sprachlos. Das Team meines damaligen Restaurants Schloss Loersfeld ist dann ausgeflippt und es hat bestimmt zwei bis drei Minuten gedauert, bis ich irgendetwas sagen konnte. In dem Moment war da so ein Gefühl, als ob eine Million Steine von mir abfallen. Ich hatte davor nicht geschlafen und nichts gegessen, das war schon eine Anspannung.
Das ist jetzt mehr als drei Jahre her. Was hat der Stern seitdem alles verändert?
Mein komplettes Leben. Zuvor war das Restaurant nicht so gut besucht. Schloss Loersfeld gab es damals schon 25 Jahre, hat nie richtig für sich geworben und war eher erlahmt. Deshalb habe ich versucht als Küchenchefin überall hinzugehen, um es wieder bekannter zu machen. Mit dem Stern ist das natürlich gelungen – der Laden ist explodiert, die Presse überschlug sich.
2018 hast du dann eine sehr mutige Entscheidung getroffen. Du hast dem Restaurant den Rücken gekehrt und bist auf eine große Reise gegangen. Hattest du nie Sorge, dass der ganze Ruhm wieder abflacht, wenn du gehst?
Selbst wenn – dann muss man eben zurückkommen und wieder Gas geben! Für mich hat es einfach noch nicht gereicht. Es war erst mein drittes Restaurant, in dem ich insgesamt gearbeitet habe. Ich habe nie in einer Zweisterne- oder Dreisterne-Küche gearbeitet, nie wo anders als in Köln. Deshalb war für mich von Anfang an klar, dass ich, sobald ich fertig bin, aufbreche, um die Welt zu sehen. Jedes Mal wenn ich gehen wollte, kam dann aber eine neue berufliche Chance. Hätte ich es jetzt nicht gemacht, dann wäre ich nie gegangen.
Wo warst du überall, hast du mal mitgezählt?
Bis jetzt waren es 25 Länder in zehn Monaten. Das erste war Qatar, das letzte war Russland. Irgendwann dazwischen war ich in Korea und habe wie überall das getestet, was ich den „echten Geschmack“ nenne. Jetzt weiß ich, wie etwa Kimchi wirklich schmeckt. Das war spannend, aber ich habe heute viele neue Projekte im Kopf: die Organisation des Pop-Up-Dinners, die Freude auf ein neues Restaurant in Köln, das gerade gebaut wird. Ich hoffe, dass ich nächstes Jahr um die Weihnachtszeit dort das erste Gericht kochen werde.
Welches Land ist dir besonders in Erinnerung geblieben?
Das kommt darauf an, ob man nach dem Essen, den Menschen oder nach der Landschaft fragt. Im Oman hat mich die Natur beeindruckt, mit dem knallblauen Meer, weißem Strand, riesigen Bergen, hellblauen Oasen mit Süßwasser und schönen Pflanzen, Gräsern – wie im Paradies. Die größte Gastfreundschaft habe ich in Indonesien erlebt und kulinarisch ist mir Indien und der Orient sehr lebendig in Erinnerung geblieben. Japan war von der Produktqualität unfassbar. Das sieht nicht nur fantastisch aus, das schmeckt auch fantastisch und der Respekt, den sie den Lebensmitteln entgegenbringen, ist toll. Nur das Gemüse hat mir oft gefehlt.
Du hast mir verraten, dass Riesling dein Lieblingswein ist. Ich schenke uns mal was ein, wir sitzen ja schon eine ganze Weile auf dem Trockenen... Ich könnte mir vorstellen, dass du Riesling auf deinen Reisen sogar begegnet bist?
Ja, den mag ich sehr gerne. Überhaupt hatten viele Restaurants auf meiner Reise deutsche Weine. Zuletzt in Sankt Petersburg gab es auch Wein aus Deutschland. Ich finde: Wenn man irgendwo anders ist und zum Beispiel französischen Wein trinkt, ist das normal, aber wenn man als Deutsche am Ende der Welt auf einer Insel sitzt und sie dort das deutsche Sortiment herausholen, ist das doch immer wieder eine Überraschung. Man begegnet sehr viel Riesling.
... vielleicht, weil die dezente Süße des Weins zu scharfem Essen sehr gut passt. Ich hoffe, er schmeckt dir!
Ja, sehr lecker! Ich muss mich schon fast beherrschen, nicht zu viel zu trinken! Ich mag es gerne so mineralisch, mag aber auch Weine aus dem Holzfass, also richtig kräftige Weine. Ich liebe den Geruch von Rotwein.
Wenn du selbst essen gehst, bist du jemand der sich die Weinkarte geben lässt oder lieber auf die Weinempfehlung hört?
Ich lasse mir immer erstmal die Weinkarte geben, lese sie mir durch, sage: „Keine Ahnung was ich bestellen soll“ und nehme dann die Weinbegleitung (lacht). Ich weiß, was lecker ist und was mir schmeckt, aber ich würde auch gerne mal einen Wein-Crashkurs machen.
Es gibt sicherlich ein Thema, auf das du immer wieder angesprochen wirst – die Seltenheit von Frauen als Sterneköchinnen. Mehr als 300 Sternerestaurants gibt es in Deutschland. Nicht einmal zehn darunter stehen unter weiblicher Leitung. Warum?
Sicher spielt das Thema Familie eine große Rolle. Ich liebe meinen Job, arbeite jeden Tag von morgens bis abends und mache auch an meinen zwei freien Tagen irgendetwas, das mit meinem Beruf zu tun hat. Oft habe ich nicht einmal Zeit für mich, geschweige denn für einen Partner, wie soll ich das mit Kindern hinkriegen? Klar, ich lebe nach der Regel: Alles, was man will, kann man auch machen. Aber im Moment kann ich es mir überhaupt nicht vorstellen. Ich bin oft den ganzen Tag unterwegs. Aber wenn jetzt mein Traummann vor der Tür stünde und Familienplanung wäre ein Thema – man würde es auch hinkriegen.