Wir müssen reden (II)

Eine Kölner Kneipe, ein ganzer Tag Zeit und lauter Menschen, die uns interessieren: Wir haben uns prächtig unterhalten. Über die großen Themen. Über die kleinen Dinge. Über das Leben.


Lass mich jetzt bloß nicht lügen

Kurz vor 16 Uhr sind auch Jörg Schönenborn, Richard David Precht und Manuel Andrack gegangen. Während wir fünf vom »SZ-Magazin« auf die nächsten Gäste warten, füllt sich das »Gilden im Zims«, der Lautstärkepegel steigt. Wir ziehen uns in ein Separee im Keller zurück. Um 16:40 kommt die Literaturkritikerin Elke Heidenreich.

Meistgelesen diese Woche:

SZ-Magazin: Frau Heidenreich, warum sind Sie noch in Köln?
Elke Heidenreich: Wo soll ich sonst leben?
SZ-Magazin: München? Wien? Berlin?
Heidenreich: Lieber würde ich mir ohne Betäubung die Beine absägen, als in Berlin zu wohnen. Schrecklich. Köln ist keine schöne Stadt, aber sie hat ihre Ecken. Natürlich – es fehlen Kaffeehäuser, die Verkehrsplanung ist idiotisch, die neue U-Bahn braucht kein Mensch, das Archiv stürzt ein, aber ich fühle mich wohl.
SZ-Magazin: Sie selbst sind nicht aus Köln. Akzeptieren einen die Kölner als Fremden?
Heidenreich: Nach einer Weile schon. Morgen zum Beispiel habe ich einen wunderbaren Auftritt: Ich habe einen Kölner Elektriker, der mich gebeten hat, bei einer Weihnachtsfeier für Elektriker, Installateure und Heizungsmonteure zu lesen. Ich mache es unter zwei Bedingungen: erstens ohne Bezahlung; zweitens, sie versprechen mir: Wann immer etwas kaputt ist, sie kommen schnell.
SZ-Magazin: Sind Elektriker ein schwieriges Publikum?
Heidenreich: Nein, herrlich. Mein Vater war Automechaniker. Solche Leute kenne ich. Die sagen Nein, wenn sie Nein meinen.

17:18 Uhr: Der Psychiater Manfred Lütz kommt an den Tisch.

SZ-Magazin: Was lesen Sie gerade, Herr Lütz?
Manfred Lütz: Zeitung. Zu Büchern komme ich im Moment nicht.
Heidenreich: Ausrede. Wenn man will, kommt man auch dazu.
Lütz: Manchmal ist das Leben spannend genug. Als Psychiater habe ich den ganzen Tag mit so vielen Lebensgeschichten zu tun.
SZ-Magazin: Kennen Sie beide einander?
Heidenreich: Nein, aber das ist nicht schlimm, das nimmt der Kölner nicht übel. Liebelein, ich kenn dich, aber ich wüsste jetzt nicht zu sagen …
Lütz: Lass mich nicht lügen!
Heidenreich: Genau!
Lütz: Der Kölner lügt nicht selbst, sondern er sagt, der andere lässt ihn lügen. Das ist toll.
Heidenreich: Und wenn der Kölner eine Runde verlassen möchte, sagt er: »Also, ich wäre dann an und für sich jetzt weg gewesen.« Ich liebe diesen Satz. Ich glaube, der Spruch ist der Grund, weshalb ich in Köln wohne.

Auf der Straße hätte ich Angst vor jemandem wie dir

Auf der Straße hätte ich Angst vor jemandem wie dir

17:34 Uhr. Der Kriminalbiologe Mark Benecke kommt an den Tisch. Seine zahlreichen Ringe und Ketten machen Geräusche.

Heidenreich: Da rasselt’s ja mächtig.
Mark Benecke: Hallo. Benecke. Ich bin Kriminalbiologe.
Heidenreich: Und was machen Sie als Kriminalbiologe?
Benecke: Leichen angucken und Spuren von Leichen. Also Blut, Sperma, Kot und Urin.
Lütz: Sie sehen schon so schwarz aus. Grufti. Sie schlafen wahrscheinlich auch im eigenen Sarg.

Heidenreich mustert Benecke.
Heidenreich: Reichlich tätowiert. Ich ahne ja noch mehr. Mein Gott, den Mann möchte man ausziehen.
Benecke: Nur zu.

Jürgen Domian setzt sich, bestellt Wasser. Er begrüßt Heidenreich und Benecke herzlich.
Heidenreich: Musst du heute noch arbeiten?
Jürgen Domian: Ja. Um eins geht die Sendung los.
Heidenreich: Wie lange machst du das schon?
Domian: 15 Jahre.
Heidenreich: Weißt du noch, wie wir uns kennengelernt haben? Das ist sicher 15 Jahre her.
Domian: Elke, das ist noch viel länger als 15 Jahre her.
Heidenreich: Du warst damals wie ein liebes Kind.
Domian: Ja, damals habe ich in Köln so kleine Talkshows organisiert. Zur Vorbesprechung kam ich zu euch nach Hause.
Heidenreich: Mit Hella von Sinnen, oder?
Domian: Ja, und Dirk Bach war auch da, und Joy Flemming.
Heidenreich: Ist das lange her … Aber wenn man Leute gern mag, ist das egal. Er hier zum Beispiel (sie zeigt auf Mark Benecke): Wir beide kennen uns erst seit gerade eben, aber …
Benecke: Wir gehen gleich ins Separee.

Heidenreich: Weißt du, jetzt sitzt du hier, und es ist wunderbar. Aber wenn ich dir im Dunkeln auf der Straße begegnen würde, hätte ich Angst.
Benecke: Ach nee, ich bin doch ganz sympathisch. (Er zeigt auf eine Tätowierung auf seinem Arm.) Hier zum Beispiel ist Frau Holle.
Domian: Also ich hätte ja bei Tätowierungen immer die Befürchtung: Irgendwann gefällt mir eine davon nicht mehr.
Lütz: Ich finde Tätowierungen auch sehr konservativ. Das bleibt dann immer so.
Benecke: Das ist jetzt aber ein sehr kölscher Opportunismus. Etwa: Man muss sich ja anpassen können, wenns mal anders kommt.
Lütz: Nicht anpassen, aber man kann sich weiterentwickeln.
Benecke: Ja, das tue ich, aber eben mit den Spuren, die das Leben an mir hinterlassen hat. Das ist wie mit seelischen Spuren, die gehen ja auch nicht weg.
Lütz: Doch.
Heidenreich: Wie, die gehen weg?
Lütz: Nein, letztlich gehen die natürlich nicht weg. Doch das ist ein Problem der Psychoanalyse: Wenn man immer nur auf die Vergangenheit guckt, auf die frühe Kindheit, die man nicht mehr ändern kann, ist das sehr defizitorientiert. Wenn Sie ein Psychologiebuch lesen, geht es Ihnen anschließend meistens schlechter.
Benecke: Aber da gibt es Unterschiede. Meine Gattin ist psychologische Psychotherapeutin und nicht auf die Kindheit fixiert.
Heidenreich: »Gattin«, das ist ja toll. Jemand ist ganzkörpertätowiert und sagt: »Gattin«.
Benecke: Ich kann auch »Schätzelchen« sagen.

Lütz: Und Ihre Frau ist also Verhaltenstherapeutin?
Benecke: Psychologische Psychotherapeutin.
Lütz: Das heißt nichts. Sprechen Sie mit Ihrer Gattin auch ab und zu? Was macht die denn?
Benecke: Oft, viel zu oft. Sie hat mich heute Nacht angetippt, selbst mitten in der Nacht gab es was zu besprechen.
Lütz: Ja? Die frühe Kindheit? Wann hast du den Schnuller abgegeben? Hast du auf dem Pott gesessen?
Benecke: Nein, nix mit Psychoanalyse. Wir waren allerdings gerade im Freud-Museum in Wien, das hat ihr gefallen.
Lütz: Und Sie mit Ihrem Kot und Sperma sind natürlich stark im Verdacht: anale Phase.
Benecke: Absolut. Aber angeblich ist sie kein Freund von Freud. Sie hat sich eine Freud-Actionfigur gekauft. So eine kleine, man kann draufdrücken, dann geht der Arm hoch mit der Zigarre. Darf man hier eigentlich rauchen?
Heidenreich: Lauter Bekloppte hier.

Wenn ich sterbe, will ich mit einer Putzfrau sprechen

Wenn ich sterbe, will ich mit einer Putzfrau sprechen

Kurz vor 18 Uhr stopft sich Mark Benecke eine Pfeife und beginnt zu paffen.
Lütz
(zu Jürgen Domian): Haben Sie irgendeine psychologische Ausbildung?
Domian: Nein. Aber im Hintergrund sind bei meiner Sendung immer Psychologen dabei.
Lütz: Hatten Sie mal die Situation, dass jemand eine Suizidankündigung gemacht hat?
Domian: Ja. Es passiert im Durchschnitt zweimal im Monat, dass jemand mit 50 Schlaftabletten im Bauch sagt: Ich will mit Domian reden.
Lütz: Ich gucke mir die Sendung eigentlich nicht an, weil ich es irritierend finde, dass dabei sehr private Dinge öffentlich werden.
Heidenreich: Aber so ist das ganze Fernsehen heute. Bei Sat.1 breiten Leute ihr ganzes Leben aus.
Domian: Bei mir basiert alles auf absoluter Freiwilligkeit.
Lütz: Mit der Freiwilligkeit ist das so eine Sache. Das Bedürfnis der Menschen, im Fernsehen zu sein, kann die freie Willensäußerung beeinflussen. Und Sie stellen ein Podium zur Verfügung, sich zu exhibitionieren.
Domian: Darüber gibt es Dutzende von Diplomarbeiten, und ich will Ihnen sagen: Die Leute vergessen, dass sie in der Öffentlichkeit sind, wenn sie mit mir sprechen.
Lütz: Das ist ja umso gefährlicher.
Domian: Umso größer ist meine Verantwortung. Wenn es um heikle Sachen geht, werden die Leute von den Mitarbeitern darauf hingewiesen: Du kannst eventuell erkannt werden. Und es ist meine Aufgabe, darauf zu achten, dass nichts passiert, was den Menschen zum Nachteil wird.
Heidenreich: Du sitzt da ganz still wie Buddha und lächelst.
Domian: Für mich sind die schwierigsten Gespräche nach wie vor die mit Sterbenden. Ich kann das nicht einordnen, als Nichtchrist. Aber es ist eine gewisse Hilfe, wenn ich zuhöre.

Lütz: In der Hospizbewegung ist das sogar eine Therapiemethode: Man hört zu und fasst das zusammen, was der andere sagt, und sagt selbst von sich nichts. Also, wenn ich im Sterben liege, möchte ich lieber mit einer Putzfrau reden als mit so einem Seelsorger. Sie sagt wenigstens, was sie denkt.
Domian: Es ist nicht nur das Zuhören, es ist ein normales Gespräch, als würde ich mit einem Freund reden.
SZ-Magazin: Was passiert, wenn jemand einen Suizid ankündigt?
Domian: Wenn jemand mit 50 Schlaftabletten im Bauch anruft, kommt er natürlich nicht auf Sendung. Da sind die Psychologen zugange, und parallel werden der Krankenwagen und die Polizei gerufen.
Lütz: Positiv formuliert, retten Sie zweimal im Monat jemandem das Leben. Das habe ich bisher nie so gesehen. Es gibt ja lebensrettende Zwangseinweisungen.
Domian: Das ist für mich auch so meine Freude an der Arbeit.

Kosten Sie manchmal von Leichen?

Kosten Sie manchmal von Leichen?

Lütz bestellt Bratkartoffeln mit Spiegelei und Speck. Benecke schließt sich an, verzichtet aber auf den Speck.

SZ-Magazin:
Was ist Ihr Kostüm im Karneval?
Lütz: Bademantel, Hut und Rüschenbluse meiner beiden Großmütter und der Kneifer meines Großvaters. Immer.
Domian: Ich kostümiere mich nicht.
Heidenreich: Ich muss. In meine Stammkneipe kommt man ohne gar nicht rein. Ich setze mir dann Hasenohren auf und zwei falsche Zähne. Die habe ich letztes Jahr vergessen, weil ich so besoffen war. Aber ich möchte etwas zu dieser Runde hier sagen: Hier kann man sehen, dass Kölner immer und überall ins Gespräch kommen. Ich war mal in der Kneipe »Früh em Veedel«, am Chlodwigplatz, da gings mir schlecht, ich war am Heulen. Und neben mir sagt einer: »Liebelein, du solltest ein Schnäpschen trinken.« Ich stand den ganzen Abend mit ein paar Leuten an der Theke, und wir haben uns unterhalten. Und als ich ging, sagte einer: »Tschö, Elke.« Die kannten mich aus dem Fernsehen und haben nichts gesagt. Das ist Köln.

Benecke: Zum »Früh em Veedel« muss ich sagen: Die haben da uralte Schnäpse, die kein normaler Mensch mehr trinkt. Einer ist so rauchig, schmeckt wie alte Männer, aber mit Minze.
Lütz: Alte Männer? Sind Sie so ein Kriminalbiologe, der auch mal in seine Objekte reinbeißt?
Benecke: Das nicht, aber die Fäuligkeit muss man auch riechen können.

Ich mag das Leben. Aber es ist mühsam

Ich mag das Leben. Aber es ist mühsam

Es ist 18:30 Uhr. Während die Bedienung die Nachtischbestellungen aufnimmt, wirft jemand das Stichwort »Weihnachten« in die Runde.

Heidenreich: Ich hab keinen besonderen Bezug zu Weihnachten. Das kommt von meiner Mutter. Die hat gesagt: Wir sind nicht gläubig, also feiern wir das nicht. Domian: Bist du später gläubig geworden?
Heidenreich: Nein, ich habe aber Religionswissenschaften studiert, weil ich wissen wollte, was die Welt im Innersten zusammenhält. Die Antwort: nichts.
Benecke: Doch, doch: Gier, Neid, Hass, Eifersucht.
Lütz: Jetzt kommt der Kriminalbiologe raus.
Domian: Elke, bist du Atheistin?
Heidenreich: Ich weiß es nicht. Die Zeit, in der ich die Hände gefaltet habe, ist leider vorbei. Aber ich breche in Tränen aus, wenn ich die Zugvögel in den Süden ziehen sehe. Irgendein Plan ist da doch dahinter.

Benecke: Evolution ist der Plan.
Lütz: Aber die Evolution gibt emotional gar nichts her. Das würde doch bedeuten: Es ist alles sinnlos.
Heidenreich: Ist es ja auch.
Domian: Elke, du glaubst, dass alles sinnlos ist?
Heidenreich: Ja, natürlich.
Domian: Und du glaubst, dass dein Leben sinnlos ist?
Heidenreich: Ich will immer, dass das, was ich tue, sinnvoll ist. Damit nicht alles ganz umsonst war.
Domian: In diesem System hat der Einzelne einen Sinn. Ob das Ganze einen Sinn hat, weiß man nicht. Herr Lütz, wissen Sie das?
Lütz: Nein.
Domian: Aber Sie glauben das doch! Sie sind ja Christ.
Lütz: Ja. Aber das ist etwas Abstraktes. Die Vorstellung, dass der gläubige Mensch so ein betonartiges System hat, die stimmt doch auch nicht.
Domian: Doch. Ich war sehr überzeugter Christ und ich war in der Zeit viel zufriedener, als ich es hinterher war. Ich hatte damals keine Angst vor dem Tod, und ich wusste, was Gut und Böse ist. Als der Glaube weggebrochen war, hatte ich nichts mehr.

Lütz: Ich habe auch meinen Glauben verloren und ihn dann wiedergefunden, über die Naturwissenschaft, über philosophische Lektüre und beeindruckende Christen. Aber nicht auf die Art, dass ich jetzt ganz genau wüsste, was Gut und Böse ist.
Domian: Ihnen wird doch ein Wertesystem hingelegt, nach dem Sie sich richten können.
Lütz: Ich glaube. Aber das bedeutet nicht, dass ich daran glaube, dafür belohnt zu werden, wenn ich gut bin. Das finde ich primitiv. Ich glaube, dass es einen Sinn hat, gut zu sein.
Heidenreich: Das glaube ich auch.
Domian: Ich auch. Und das bringt mir auch Erfüllung, weil ich einfach für mich selber davon überzeugt bin.
Lütz: Aber wenn mit dem Tod alles vorbei ist, bringt doch Uneigennutz keine Vorteile. Das hat doch etwas Irrationales.
Domian: Es ist doch viel irrationaler, wenn ich an eine christlich definierte Instanz denke.
Lütz: Aber warum sollte sich ein Atheist mit dem ganzen moralischen Quatsch aufhalten? Warum sollte er nicht einfach den maximalen Lustgewinn einstreichen und die Ellenbogen ausfahren?
Benecke: Weil das gegen die evolutionären Prinzipien verstößt.
Lütz: Wenn ich tot bin, ist mir das doch wurscht.
Domian: Ich kann doch als Humanist davon überzeugt sein, dass das der falsche Weg ist.
Heidenreich: Das finde ich auch.

Domian: Glaubst du wirklich, dass nach dem Tod alles aus ist?
Heidenreich: Ja, alles aus, restlos aus.
Lütz: Aber wenn man das ganz konsequent weiterdenkt: Was hat man dann davon?
Heidenreich: Ich bin doch nicht gefragt worden, ob ich geboren werden will.
Domian: Hast du Angst vor dem Tod? Oder vor dem Sterben?
Heidenreich: Ich hatte Krebs, ich habe vor nichts mehr Angst.
Domian: Haben Sie Angst vor dem Sterben, Herr Lütz?
Lütz: Ich glaube, eigentlich auch nicht. Aber manchmal denke ich, wir schwätzen uns die Angst weg. Die Vorstellung, dass gar nichts mehr ist …
Heidenreich: Ist das nicht tröstlich? Endlich ist nichts mehr. Ein Geschenk.
Domian: Es klingt, als wärst du so belastet von der Existenz.
Heidenreich: Ich mag das Leben, aber es ist mühsam. Ich möchte das nicht unendlich haben.
Lütz: An das unendliche Leben glauben wir Christen ja auch nicht. Wenn wir nicht sterben könnten, das wäre schrecklich.
Heidenreich: Seht ihr! Wovor haben wir dann Angst? Ich finde nämlich Geborenwerden viel furchteinflößender als Sterben. Ein kleines Kind muss aus einem Bauch raus, durch so einen engen Kanal, muss sofort atmen, kriegt gleich so einen Klatsch als Erstes, ist blutüberströmt. Wenn ich noch einmal wählen müsste: geboren werden oder sterben? Tausendmal lieber sterben.

Lütz: Ich glaube an das ewige Leben, das die Zeit sprengt. Wenn ich eine Mozart-Sinfonie höre, ist das ein Erlebnis von Ewigkeit.
Heidenreich: Aber Herzchen, das sind ja nicht Sie, das ist ja Mozart. Das ist Schönheit, die ist ewig.
Domian: Nein. Nichts ist ewig.
Lütz: Es ist ja ein Unterschied zwischen der Vorstellung ewigen Lebens und der Vorstellung, es geht jetzt immer weiter. Leute, die immer jugendlich sein wollen, das ist doch schrecklich. Ich finde alte Menschen viel interessanter als junge Menschen. Heidenreich: Ach, Schatz, wie alt sind Sie denn? Anfang 60?
Lütz: Ich bin 56.
Heidenreich: Sie sehen älter aus.
Lütz: Ich habe einen Bart.
Heidenreich: Älter werden ist Verlust, es ist ein Massaker, der Körper macht nicht mehr mit.
Lütz: Widerspruch, Euer Ehren. Darf ich mal? Jugendkult produziert eine unglückliche Gesellschaft. Da schaut schon der 16-Jährige, wenn er in die Zukunft blickt, ins Dunkel. Eine Gesellschaft, die das Alter ehrt, ist viel glücklicher. Da schaut er in eine Zeit, wo er eines Tages mal anerkannt ist.
Heidenreich: Früher war das Alter mal etwas Ehrwürdiges. Heute ist die technische Entwicklung so schnell, dass Erfahrung nichts mehr gilt. Die Jungen wissen mehr als die Alten, die schon ratlos vor dem Fahrkartenautomaten in der U-Bahn stehen.

Der Nachtisch wird aufgetragen. Alle haben Grießflammerie bestellt.


SZ-Magazin:
Herr Benecke, haben Sie manchmal Mitleid mit den Opfern, die Sie untersuchen?
Benecke: Nein, nicht mit den Leichen. Schwierig ist es eher mit Angehörigen oder Tätern.
SZ-Magazin: Kann man nach einer Weile sehen, wenn Täter einen anlügen wollen?
Benecke: Nee, das ist eine Legende. Man sieht es anhand der Akten. Da hast du einen, der sagt: Ich habe keine Säure über die gegossen, das würde ich nie tun. Anhand der Akten können wir sagen: Ja, aber Sie haben doch zugegeben, dass Sie mit 14 Ihre Schwester umgebracht haben. Jetzt können Sie mir doch nicht erzählen, dass Sie nie über eine tote Person Säure gießen würden. Dann sagen die: Na jut. SZ-Magazin: Nimmt man so etwas mit ins Privatleben? Belastet einen das?
Benecke: Ja, aber man kann es ja einsortieren.
Lütz: Ich habe im Studium im Anatomie-Kurs einmal Leichen seziert. Beim ersten Mal war es unheimlich, aber letztlich ist es nur die Wissenschaft, man verliert nach einer Zeit die Befangenheit. Am Ende war ich vergleichsweise locker. Ich kann mich noch erinnern, einmal kamen mir zwei attraktive Kommilitoninnen entgegen und die unterhielten sich über die Disco am Abend, und dabei hat jede an beiden Händen einen Kopf an den Haaren gehalten. Da dachte ich, das geht doch jetzt ein bisschen zu weit. Aber es war auch nicht völlig befremdlich. Weil, wir hatten damals eben gerade Kopf auf dem Stundenplan.

Fettleibige sterben genussvoller

Fettleibige sterben genussvoller

Um 19:18 Uhr betritt Franz-Josef Antwerpes erneut das Lokal.

Heidenreich: Ach, du lieber Gott, ich muss sowieso bald gehen. Tach, Präsident!
Antwerpes (stellt eine Flasche seines selbst gekelterten Weins auf den Tisch.): Hier, ich habe etwas mitgebracht.
Heidenreich: Ach, ich wusste es doch. Jetzt müsst ihr wieder diesen scheußlichen Wein trinken.
Antwerpes: Also jetzt bin ich beleidigt.
Heidenreich: Das macht nix.

Heidenreich zieht eine Frage aus dem Zettelkasten.

Heidenreich: »Was ist heute besser, als es früher war?«
Antwerpes: Die Straßenbahn Linie 5 fährt jetzt bis Ossendorf. Das ist besser.
Heidenreich: Ich koche besser als früher, aber weniger gern.
Antwerpes: Aha, und weiß das außer Ihnen auch jemand, dass Sie jetzt besser kochen?
Heidenreich: Sie haben meine Graupensuppe noch nicht probiert.
Antwerpes: Um Gottes willen. (Er schaut auf Mark Beneckes Pfeife) Ach, hier darf geraucht werden?
Lütz: Ja, ich halte diese strengen Raucherregeln ja für illiberal.
Heidenreich: Ich auch. Ich möchte so ungesund leben können, wie ich will.
Lütz: Die Freiheit einer Gesellschaft ist auch die Freiheit zum ungesunden Leben. Auch Wasser ist gefährlich. Wenn man zu viel trinkt, kann man einen Herzinfarkt bekommen.
Antwerpes: Auch Fettleibigkeit ist sehr gefährlich!
Lütz: Magersucht ist noch gefährlicher.
Antwerpes: Aber es gibt wenige, die magersüchtig sind. Mehr Fettleibige.
Lütz: Aber die sterben genussvoller. Denn auch wer gesund stirbt, ist definitiv tot. Ein Freund von mir war neulich bei einer Beerdigung: Ein 52 Jahre alter Mann ist überfahren worden. Dann stand die Witwe am Grab und sagte: Jetzt hat die ganze Diät nichts genutzt. Wahre Geschichte!

Antwerpes: Ich habe neulich im Fitnessclub …
Lütz: Sie im Fitnessclub? Unglaublich.
Antwerpes: Ich sehe doch auch danach aus, oder? Sie übrigens eher nicht.
Lütz: Ich bin gegen diesen ganzen Gesundheitswahn.
Antwerpes: Quatsch, Gesundheitswahn. Mir gefällt das eben.
Lütz: Ja. Sie können ja machen, was Sie wollen.
Antwerpes: Eben. Dann kommentieren Sie das auch nicht. Er sagt, ich kann machen, was ich will, aber er verbietet es mir.
Lütz: Einem Regierungspräsidenten kann man überhaupt nichts verbieten. Heidenreich: Ist er ja nicht mehr.
Antwerpes: Innerlich schon.
Heidenreich: Ja, der ist immer im Dienst. Er hat früher in Köln die Lastwagen persönlich angehalten, um zu kontrollieren.
Lütz: Und ich bin dann immer absichtlich zu schnell gefahren. Der Rheinländer protestiert gegen die Preußen immer noch durch Übertreten der Verkehrsregeln. Ich parke auch immer falsch, Herr Regierungspräsident.
Heidenreich: Ich finde Parkuhren eine Unverschämtheit. Ich zahle nie, nie, nie für eine Parkuhr. Ich gehe ja oft in die Oper, ich stehe da und ich zahle nicht. Jeden Abend zahl ich 15 Euro Strafe, und zwar gern, mein Leben lang, aber ich füttere nicht diese Uhr. Ich leg immer einen Zettel ins Auto: Ihr könnt mich mal!

Ein Bekloppter aus Ihrer Behörde war’s

Ein Bekloppter aus Ihrer Behörde war’s

Etwa 19:45 Uhr. Mark Benecke zieht eine Frage aus dem Zettelkasten.

Benecke: »Was ist bloß mit Konstantin los?« Neven DuMont?
Heidenreich: Armer Junge.
Benecke: Das ist, glaube ich, ein No-Go hier.
Antwerpes: Wieso denn?
Lütz: Das sind jetzt Innerkölner Angelegenheiten. Wir sagen doch jetzt nichts zu einem Kölner Verlag hier in der Süddeutschen Zeitung.
Antwerpes: Wer hier etwas gegen den Kölner Verlag sagt, der wird nicht mehr erwähnt.

Wenig später verabschieden sich Elke Heidenreich und Jürgen Domian.
SZ-Magazin: Herr Lütz, Herr Antwerpes, kennen Sie sich?
Lütz: Bisher nicht. Ich bin Chefarzt am Alexianer-Krankenhaus in Porz.
Antwerpes: Sagen Sie mal, ist da nicht eine Gärtnerei?
Lütz: Ja. Eine tolle Gärtnerei. Das ist ganz wichtig, dass eine Psychiatrie Außenkontakte hat, dass man normale Leute auf dem Gelände hat. Früher war eine Mauer drum herum. Die war unter Denkmalschutz. Das war irgendein Bekloppter hier von Ihrer Behörde wahrscheinlich, der die unter Denkmalschutz gestellt hat.
Antwerpes: Ja, vermutlich.
Lütz: Und dann sind wir immer mal mit dem Lastwagen dagegengefahren.
Antwerpes: Ja.
Lütz: Und dann ist ein Teil von der Mauer …
Antwerpes: Umgefallen.
Lütz: Umjefallen, ja. Und dann sind wir mal wieder mit dem Lastwagen dagegen, wieder ein Teil umgefallen. Jetzt gibt es die Mauer nicht mehr.
Antwerpes: Aber was ist denn mit den Lastwagen? Die müssen ja schön demoliert sein.
Lütz: Also jetzt bin ich ja mal gespannt, ob das SZ-Magazin auseinanderhalten kann, was hier alles scherzhaft und was ernst gemeint war.
SZ-Magazin: Ironie ist ja schriftlich nicht vermittelbar, so reden wir uns einfach raus. Lütz: Meine Frau ist Journalistin, die sagt immer, wenn sie etwas Scherzhaftes schreibt, muss sie vorher schreiben: Ein Scherzbold würde sagen …
SZ-Magazin: Ein Scherzbold würde sagen, die Lastwagen sind ziemlich demoliert?

Von der Herkunft her sind wir Römer

 Von der Herkunft her sind wir Römer

Franz-Josef Antwerpes verabschiedet sich, während um 20:30 Uhr die Kabarettistin Cordula Stratmann und der Schriftsteller Frank Schätzing eintreffen.

Frank Schätzing: Ich habe das Gefühl, dass ich heute mit einem leichten Brummschädel durch die Gegend gehe.
SZ-Magazin: Sie sehen fantastisch aus.
Schätzing: Auch du siehst toll aus, Cordula.
Cordula Stratmann: Danke schön, ich habe gehofft, dass dir das auffällt.
Schätzing: Wer war denn vor uns schon da?
SZ-Magazin: Sie beide sind unsere letzten Gäste.
Schätzing: Ach.
Lütz: Ich muss es leider sagen: Als ich meinen beiden Töchtern zu Hause alle Eingeladenen vorgelesen habe, war der einzige Interessante für sie Peter Kloeppel. Stratmann: Wie alt sind Ihre Töchter denn? 44 und 46?
Lütz: Nein, zwölf und 14.
Stratmann: Ich meinte ja nur wegen Peter Kloeppel. Entschuldigung, uns verrutscht dieses Gespräch gerade, und das gleich am Anfang …
Schätzing: Ich glaube, du musst jetzt unbedingt ein Bier trinken.
Stratmann: Ja.

Lütz: Hat mich jedenfalls gewundert, dass sie ihn so toll finden, sie gucken gar nicht viel RTL. Aber so spät, wie Sie immer kommen, dürfen sie nicht mehr fernsehen. Stratmann: So spät, wie ich immer komme?
Lütz: Im Fernsehen. Sind Sie eigentlich Kölnerin?
Stratmann: Nein, ich bin Düsseldorferin. Und es stimmt schon, von Woche zu Woche werden die Argumente für Köln weniger: Die Kulturpolitik, die Städtebaupolitik, und jetzt kommt auch noch die Schwäche des FC dazu.
Lütz: Ach, die war doch immer schon da.
Stratmann: Aber es spitzt sich zu. In Köln hat sich eine Bevölkerungsgruppe versammelt, die, egal was passiert, sagt: Oah! So italienisch sind wir.
Schätzing: Das stimmt ja auch ein bisschen. Von der Herkunft gesehen …
Lütz: … sind wir Römer.
Schätzing: Ja. 2000 Jahre gibt es diese Stadt. Da war München noch ein Pfahldorf in irgendeinem Sumpf.
Lütz: Wenn überhaupt.
Schätzing: Ich hatte nie das Bedürfnis, von hier wegzugehen. Ich liebe diese Stadt für das, was sie sein könnte.
Stratmann: Ich glaube, man mag nicht Köln, man mag die Kölner. Man kann sich bis heute drauf verlassen, dass man nicht vereinsamt, wenn man nicht will. Das finde ich so anrührend. Wenn ich in der Zeitung was über Köln lese, will ich hier weg. Wenn ich mir mein Leben hier angucke, dann will ich nur hier leben.

Karneval ist eine Art Terror-Netzwerk

Karneval ist eine Art Terror-Netzwerk

20:50 Uhr. Manfred Lütz hat sich verabschiedet. Stratmann bestellt Halven Hahn, Schätzing bestellt Hackepeter.

SZ-Magazin: Gibt es eigentlich die Bläck Fööss noch?
Schätzing
: Klar.
SZ-Magazin: Sind die nicht inzwischen hundert?
Schätzing:
Zusammen bestimmt.
Stratmann: Das spielt doch überhaupt keine Rolle. Die Bläck Fööss gehören zu Köln.
Schätzing: Die heutige Kölner Musikszene klingt ja so, als hätte sie gerade erst entdeckt, dass Bob Dylan ein zweites Album rausgebracht hat. Das ist alles so retro. Köln hat ein Problem mit cooler Musik.
SZ-Magazin: Gibt es nicht coole elektronische Musik?
Schätzing: Man muss das relativieren. BAP machten über zwei Jahrzehnte coole Musik. Oder L.S.E. – auch super. Aber dann ist lange nichts gekommen.

SZ-Magazin: Waren Sie mal Teil einer Jugendbewegung?
Schätzing: Ich mag Bewegungen nicht.
SZ-Magazin: Ist Karneval eine Bewegung?
Stratmann: Karneval ist Stillstand.
Schätzing: Das ist so eine Art Terror-Netzwerk.
SZ-Magazin: Also ziehen Sie nicht mit?
Schätzing: Nein. Der Straßenkarneval ist extrem krawallig geworden. Man spürt auf der Straße, dass so eine Bereitschaft in der Luft liegt, sich zu kloppen. Vielleicht war ich früher aber auch einfach nur naiv und habe das nicht so bemerkt.

SZ-Magazin: Noch mal zurück zur Offenheit der Kölner. Wen können die Kölner denn nicht leiden?
Schätzing: Die Düsseldorfer. Und die Obrigkeiten. Das hat mal so weit geführt, dass wir einen Erzbischof hatten, der unter einem Vorwand aus der Stadt gelockt wurde, nämlich Krieg zu führen. Als er weg war, haben wir schnell eine Stadtmauer gebaut, und als er zurückkam, haben wir ihn nicht mehr reingelassen.
Stratmann: Das könnte man mit dem jetzigen doch auch noch mal machen.
SZ-Magazin: Gegen wen sollte man Kardinal Meisner denn in den Krieg schicken?
Schätzing: Schwierig. Man könnte ihn nach Rom schicken. Ihm sagen, dass er seliggesprochen werden soll.
SZ-Magazin: Warum ist er denn so unbeliebt?
Schätzing: Er ist ein Dogmatiker.
Stratmann: Kein Menschenfreund.
SZ-Magazin: Sind Sie katholisch?
Schätzing: Ich war.
Stratmann: Ich auch.
Schätzing: Wann bist du raus?
Stratmann: Viel zu spät. Mit 30.
Schätzing: Ich mit 18. Sofort. Ich bin ungern in Vereinen.

Schätzing zieht eine Frage aus dem Zettelkasten.

Schätzing: »Worauf freuen Sie sich am Wochenende?« Aufs Füßehochlegen. 2010 war ein hartes Jahr. Ich werde künftig nie wieder einen Abgabetermin für ein Projekt vereinbaren, während ich noch dransitze. Ich habe keine Lust mehr, mich zu hetzen. Und ich mache jetzt ein Jahr Medienpause. Jetzt haben alle mein dummes Gesicht ein Jahr lang wieder gesehen, und nun ist gut.
Stratmann: Ich habe das auch immer so gemacht. Ich finde, man sollte sich begrenzen. Ich denke nicht, wenn man mich nicht sieht, dann gibt’s mich nicht mehr. Mich gibt’s ja.
Schätzing: Ein Star ist heute was ganz anderes als früher. Früher hatte man ein Buch, eine Platte, einen Film, hat darüber geredet, und das war’s. Heute muss man immer über alles reden, auch wenn man nichts davon versteht.
Stratmann: Man wird auch ständig angefragt, sich zu irgendwas zu äußern. Drei Sätze zu einem Konflikt. Ich bin doch kein Statement-Abgeber.
Schätzing: Einstein hat gesagt, wenn jeder in der Welt nur darüber reden würde, wovon er was versteht, herrschte eine große Stille.

SZ-Magazin: Arbeiten Sie gerade an einem Buch? Die Debatte um WikiLeaks müsste Sie doch interessieren.
Schätzing: Das ist für ein Buch zu schnelllebig. Aber man muss sagen, dass die amerikanischen Diplomaten in der Einschätzung unserer Politiker ganz gut gelegen haben.

Schätzing zieht erneut aus dem Zettelkasten.

Schätzing: »Nennen Sie drei Worte mit K!« Krakauer, Kirgisien, Krater.
Stratmann: Ich glaube, wir sollen Köln sagen.
Schätzing: Krater gefällt mir aber besser.

Im Sumpf gibt es die schönsten Blumen

Im Sumpf gibt es die schönsten Blumen

Schätzing und Stratmann verabschieden sich kurz nach 22 Uhr. Mark Benecke, der die letzten zwei Stunden etwas abseits saß, macht Erinnerungsfotos von den beiden.

Benecke: Immer wenn ich berühmte Leute treffe, mache ich ein Bildchen. SZ-Magazin: Kann man Ihre Arbeit eigentlich mit jener der CSI-Agenten aus der amerikanischen Fernsehsendung vergleichen?
Benecke: Kenne ich nicht. Ich habe keinen Fernseher.
SZ-Magazin: Was machen Sie denn zur Entspannung in Ihrer Freizeit?
Benecke: Ich bin nicht unentspannt und habe keine Freizeit.
SZ-Magazin: Sie haben in New York gelebt und eine Zeit lang für das FBI gearbeitet. Warum leben Sie wieder in Köln?
Benecke: Köln ist ein einziger Sumpf. Und im Sumpf wachsen die schönsten Blumen. Ich bin wegen meiner Arbeit sehr viel in anderen Städten, Medellín, Bogotá, Manila, Ho Chi Minh City, also wirklich bekloppte Städte. Aber Köln ist bekloppter. Die Haltung des Kölners ist der fatalistische Opportunismus.

SZ-Magazin: Der fatalistische Opportunismus?
Benecke: Ja. Nehmen Sie Elke Heidenreich. Sie hat das total, obwohl sie keine Kölnerin ist. Ihr seid vorhin alle so ruhig geworden, als sie geredet hat, über den Tod und so, und ihr habt euch gedacht: »Ist sie jetzt depressiv oder was?« Nö, überhaupt nicht, die ist in Köln. Das ist der Fatalismus hier! Und dennoch wird dem Kölner warm ums Herz im Schatten des Doms.
SZ-Magazin: Ihnen auch?
Benecke: Ja. Ich gehe gern in den Dom. Weil der so was von »gothic« ist, also im subkulturellen Sinn. So schwarz, wie der ist, und wenn du nachts davor stehst, sieht er aus wie ein Mandelbrotfraktal.
SZ-Magazin: Trinken Sie noch ein Bier?
Benecke: Nee, ich hab morgen um elf eine Radiosendung.  
SZ-Magazin: Lieber Schnaps?
Benecke: Okay, wir bestellen diesen braunen, der schmeckt wie eine Lederjacke.

Zwei Stunden später, um 00:18, verabschiedet sich Mark Benecke. Wir bitten um die Rechnung.

Zum ersten Teil unseres großen Interviews geht es hier.

Fotos: Peter Rigaud