SZ-Magazin: Frau Wagner, wenn jemand zu Ihnen kommt und sagt: »Mein Partner hat Geheimnisse«, klingt das für Sie erstmal gut oder schlecht?
Beatrice Wagner: Eher schlecht. Wenn man Geheimnisse wittert, dann vermutet man in Beziehungen ja meistens Betrug. Der Mensch ist ein soziales Wesen, aber er musste auch immer auf der Hut sein, um zu merken, ob andere es gut oder schlecht mit ihm meinen. In unserer Stammesgeschichte war das überlebenswichtig, darum achten wir auf jedes kleine Zeichen und sind von Natur aus misstrauisch. Der Partner oder die Partnerin legt das Handy mit dem Bildschirm nach unten hin oder geht raus zum Telefonieren? Das wirkt für uns verdächtig. Das Wort »Geheimnis« ist heute noch mehr als früher negativ besetzt, weil wir in einer Zeit leben, in der man so offen ist wie nie zuvor. Wir präsentieren unser Privatleben auf Instagram und veröffentlichen auf Twitter unsere Gedanken, bevor wir überhaupt die Möglichkeit haben, da etwas Tiefgang reinzubekommen.
»Sich Geheimnisse zu bewahren, macht einen als Partner spannend«
Wie viel sollte man in einer Beziehung teilen? Ein Gespräch mit der Paar- und Sexualtherapeutin Beatrice Wagner über das richtige Verhältnis von Offenheit und Geheimnissen, heimliche Schwärmereien für andere – und Freiräume, die die Liebe größer machen.