»Der Tod zerrt an mir«

Mit ihrem Buch »Der Freund« feierte die US-Schriftstellerin Sigrid Nunez mit Ende 60 ihren Durchbruch. Nun erscheint ihr neuer Roman – und wieder geht es ums Sterben. Ein Gespräch über das Ende, die Lehren des Lebens und die ewige Frage nach dem Glück.

Sigrid Nunez, 1951 geboren und auf Staten Island aufgewachsen, lebt heute immer noch in New York. Allerdings in Manhattan.

Foto: Jesse Dittmar/Redux/laif

SZ-Magazin: Ihr neues Buch heißt nach einem Zitat der französischen Philosophin Simone Weil, im Original lautet es: »Quel est donc ton tourment?«, im Deutschen könnte man es mit »Was quält Sie?« übersetzen. Diese Frage möchte ich Ihnen nach anderthalb Jahren Pandemie stellen: Was quält Sie?
Sigrid Nunez: Zu Beginn der Pandemie hat mich gequält, dass ich weder wirklich lesen noch schreiben konnte. Es ging einfach nicht, weil es da draußen plötzlich um Leben und Tod ging. Letztendlich habe ich darunter dann aber gar nicht so sehr gelitten wie gedacht, und das bringt mich zurück zu Simone Weil. Ihr ging es mit dieser Frage nämlich um eine individuelle Erfahrung, darum, dass sich die Zuneigung eines Menschen zu seinen Nächsten in dieser simplen Frage ausdrückt. Vorausgesetzt, dass man dann auch wirklich in der Lage ist zuzuhören. In der Pandemie wurde aus dieser individuellen Erfahrung eine kollektive. Deshalb stellte sich für mich als Schriftstellerin letztendlich auch nicht die Frage, ob ich über das schreiben sollte, was wir gerade erlebten, da sowieso schon alle gemeinsam in den sozialen Medien darüber berichteten, was sie quält: Sie haben davon erzählt, darüber geschrieben, es abends von ihren Balkonen gesungen.