Wir haben Prominente gebeten, der Kanzlerin Fragen zu stellen, Künstler, Sportler, Unternehmer, Politiker – sie alle sollten sich überlegen, was sie schon immer von der Bundeskanzlerin wissen wollten. Wir bekamen insgesamt 37 Fragen und schickten sie ins Kanzleramt: Was ist Ihr größtes Opfer für die Nation? Wie ist der Geruch Ihrer Kindheit? Wäre Politik einfacher, wenn sie nicht öffentlich wäre? Was schätzen Sie an Hannelore Kraft? Tolle Fragen. Die Kanzlerin erbat sich ein paar Tage Zeit, dann schickte sie ihre Antworten. Manche sind überraschend, andere frotzelig, lustig, rührend. Alle sind knapp und ganz klar.
Iris Berben, Schauspielerin: Wie ist der Geruch Ihrer Kindheit?
Angela Merkel: Kiefern und Heu und im Herbst der Duft der Kartoffeln im Kartoffeldämpfer.
Ulrich Wickert, Journalist: Als Kind habe ich nach Ansicht meiner Eltern Schundliteratur gelesen, also Micky-Maus- und Pete-Heftchen. Sie auch?
Das war mit meinen Eltern kein Thema.
Philipp Lahm, Fußballprofi: Gibt es etwas, auf das Sie heute verzichten müssen? In anderen Worten: Was ist Ihr größtes persönliches Opfer für die Nation?
Ich muss darauf verzichten, unerkannt einkaufen zu gehen.
Roger Willemsen, Schriftsteller: Wenn Sie ein Doppelleben führen könnten: Welches wäre das zweite?
Für diese Vorstellung habe ich keine Zeit und keine Neigung.
Reinhold Beckmann, Moderator: Was schätzen Sie an Hannelore Kraft?
Dass sie sich auch für Fußball interessiert.
Dieter Nuhr, Kabarettist: Was empfindet man in Ihrer Position stärker: Macht oder Ohnmacht?
Weder noch, sondern die ständige Aufforderung, Probleme zu lösen. Und Zeitknappheit.
Maria-Elisabeth Schaeffler, Unternehmerin: Sie haben erfolgreich ein naturwissenschaftliches Studium absolviert und als Physikerin gearbeitet. Trauern Sie angesichts der Tatsache, dass in der Politik die rationalen und pragmatischen Lösungen gegenüber Polemik und Emotionalität häufig den Kürzeren ziehen, nicht der Physik und ihrer Rationalität hinterher?
Gute Politik setzt auf Lösungen, die der Wirklichkeit standhalten. So ist es auch in der Wissenschaft.
Olli Dittrich, Schauspieler: Beim G8-Gipfel 2006 in Russland blieb George W. Bush im Vorübergehen überraschend hinter Ihrem Sessel stehen und knetete mit beiden Händen ziemlich grob Ihre Schultern. Eine infantile Aktion ohne jeden Anstand, ohne jeden menschlichen Respekt. Was haben Sie in diesem Moment gefühlt und gedacht?
Dass George Bush einen Scherz machen wollte.
Peter Gauweiler, CSU-Politiker: Wie lange wollen Sie gegen die absolute Mehrheit der deutschen Bevölkerung die Euro-Rettungsschirm-Politik fortsetzen?
Den Ausgangspunkt der Frage teile ich nicht, ansonsten versuche ich den Menschen zu zeigen, welch große Bedeutung der Euro für unser aller Leben hat.
Anne-Sophie Mutter, Geigerin: Wenn Sie nicht auf Wählerstimmern Rücksicht nehmen müssten: Welche politischen Konsequenzen hielten Sie heute im Hinblick auf die demografischem Entwicklung in unsererm Land für absolut notwendig – beispielsweise im Bereich der Bildung, der Altersvorsorge und des Gesundheitswesens?
In der Demokratie ist es immer notwenig, Wählerinnen und Wähler zu überzeugen. Das gilt für die Rente mit 67 im Jahre 2029 bis hin zu der Tatsache, dass wir heute alle ein Leben lang lernen müssen.
Harry Rowohlt, Schriftsteller: Wie würden Sie reagieren, wenn Sie jemand aus alter Gewohnheit »Liebe Genossin Merkel« anspräche?
Ich bin auch früher nicht so angesprochen worden und würde sagen: »Es muss sich um eine Verwechslung handeln.«
Alice Schwarzer, Publizistin: Warum sollten Frauen Sie 2013 wählen? Sie verdanken Ihren Sieg 2009 nicht zuletzt den jungen Frauen, die zum ersten Mal stark CDU gewählt haben. Gerade sie wurden in den vergangenen Jahren von der Politik Ihrer Regierung arg enttäuscht. Haben Sie gute Nachrichten, ehrliche Versprechen für 2013?
Dass es den meisten Menschen in Deutschland 2013 besser geht als 2009 und dass ich das auch für die nächste Legislaturperiode bis 2017 im Vergleich zu 2013 erreichen möchte.
Andrea Petkovic, Tennisprofi: Haben Sie einen Witz auf Lager?
Ja, immer.
Maria Höfl-Riesch, Skifahrerin: Wenn Sie in Ihrem Dienstwagen auf der Autobahn unterwegs sind und es keine Geschwindigkeitsbegrenzung gibt – wie schnell darf Ihr Fahrer dann fahren?
So schnell, wie er es für angemessen hält.
Jonas Kaufmann, Opernsänger: Wie lautet Ihr Konfirmandenspruch? Und bedeutet er Ihnen heute noch etwas?
»Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei, am größten aber ist die Liebe« (Paulus, 1 K 13,13). Er leitet mich im Umgang mit den Menschen, denen ich begegne.
Alfons Schuhbeck, Koch: Warum vermeiden Sie Fotos, auf denen Sie bei einem Genuss, Hobby oder Ausgleichssport zu sehen sind?
Beim Essen und Trinken hat man mich schon oft fotografiert, ansonsten möchte ich mir ein wenig Privatheit erhalten.
Boris Becker, Ex-Tennisprofi: Wen würden Sie gern zu einer Dinnerparty einladen und warum?
Dinnerpartys veranstalte ich nicht. Aber zu einem Abendessen würde ich gern einmal Vicente del Bosque einladen.
Frank Bsirske, Gewerkschafter: Würden Sie eine Versicherung abschließen, die Sie nicht mehr kündigen können?
Die Frage hat sich mir noch nie in der Realität gestellt.
Christoph Maria Herbst, Claudia Roth, Jan Ullrich, Marietta Slomka und Alexander Dibelius
Christoph Maria Herbst, Schauspieler: Wie sehen Ihre Ventile aus, um Druck abzulassen?
Wandern, kochen, lachen.
Claudia Roth, Grünen-Politikerin: Nervt es Sie eigentlich auch, dass bei Frauen in der Politik immer noch Frisur, Kleidung, Halskette und jede Gefühlsregung bewertet werden - ganz anders als bei Männern?
Es ist Teil meines Lebens geworden.
Jan Ullrich, Ex-Radprofi: In der DDR wurden wir als Kinder einer sportlichen Frühsichtung unterzogen. Es ging darum, spezifische Fähigkeiten und Voraussetzungen sowie anatomische und physiologische Besonderheiten festzustellen. Ich sollte Leichtathlet werden, kam dann aber zum Radsport und schließlich zum Sieg der Tour de France. Sie haben es zur ersten deutschen Bundeskanzlerin geschafft. Zu welcher Erkenntnis ist man nach der sportlichen Sichtung bei Ihnen gelangt?
Ich war erkennbar so wenig begabt, dass man mich für keine Sportart für geeignet hielt.
Marietta Slomka, Nachrichtensprecherin: Über das Miteinander in der Politik haben Sie vor Jahren in einem Interview mit der Fotografin Herlinde Koelbl gesagt: »Fairness? Können Sie abhaken.« Woran, glauben Sie, liegt das?
Das Zitat bezieht sich auf eine Frage zu einer speziellen Situation, und zwar den Grenzwertüberschreitungen bei Castortransporten, die im Frühjahr 1998 öffentlich wurden. Damals sagte ich: »Es gab aber auch Oppositionspolitiker, die aus Gründen des Wahlkampfes gnadenlos waren. Fairness können Sie da völlig abhaken.« Das war also eine Ausnahmesituation, die ansonsten die Regel bestätigt, denn ich habe oft einen fairen Umgang erfahren und bemühe mich auch meinerseits um Fairness.
Alexander Dibelius, Finanzmanager: Sie sind studierte und promovierte Physikerin und wissen als Naturwissenschaftlerin wahrscheinlich besser als viele andere um die Potenziale und Risiken der friedlichen Nutzung von Kernkraft. Warum glauben Sie nicht, dass es wichtig ist, am Hochtechnologiestandort Deutschland bei der Entwicklung und sinnvollen Nutzung dieser Technologie voranzugehen?
Weil es eine Technologie ist, bei der ein Restrisiko unabsehbare Folgen hat.
David Kross, Schauspieler: Welchen Film haben Sie am häufigsten gesehen? Und was ist Ihr Lieblingsfilm?
Jenseits von Afrika, aber das wechselt.
Erzbischof Robert Zollitsch, Vorsitzender der deutschen Bischofskonferenz: Was macht Ihnen Freude?
Mit anderen Menschen interessante Gespräche zu führen, bei denen ich etwas aus Lebensbereichen erfahre, die für mich neu sind.
Markus Kavka, Moderator: Was war der größte Mist, den Sie als Jugendliche je gebaut haben?
Mit einem neuen Trainingsanzug aus einem Westpaket in eine harzige Baumhöhle zu kriechen.
Clemens Schick, Schauspieler: Wie erklären Sie Ihren russischen Kollegen, dass Homosexualität keine Krankheit ist?
Wir können nur versuchen, die Achtung für jeden einzelnen Menschen vorzuleben, ungeachtet seiner Herkunft, seines Glaubens oder seiner Persönlichkeit, und für diese Haltung in aller Welt eintreten.
Eckart von Hirschhausen, Kabarettist: Worin zeigt sich Ihr Sinn für Humor?
Wer mag denn seinen eigenen Sinn für Humor beurteilen? Ich kann jedenfalls immer noch herzlich lachen.
Daniela Katzenberger, Unternehmerin: Warum sind die Sprit-Preise so hoch? Ich würde mich über eine Antwort freuen, die sogar ich nachvollziehen kann.
Weil Erdöl, aus dem Benzin und Diesel hergestellt werden, ein knappes Gut ist.
Katja Riemann, Schauspielerin: Wovor haben Sie Angst?
Bei einem Gewitter ungeschützt zu sein.
Brigitte Hobmeier, Schauspielerin: In Sophokles’ Antigone sagt der Chor der Weisen an einer Stelle sinngemäß: Der wahre Charakter eines Menschen zeigt sich erst, wenn er an der Macht ist. Was sagen Sie dazu?
Das ist eine Aussage aus einer Zeit, in der im Wesentlichen Mächtigen eine literarische Aufmerksamkeit zukam.
Tim Mälzer, Koch: Wäre Politik einfacher, wenn sie nicht so öffentlich wäre?
Dann wäre es keine Politik in der Demokratie, und ich wäre keine Politikerin.
Kurt Krömer, Komiker: Können Sie mir das Datum nennen, an dem ich morgens die Zeitung aufschlage und die Überschrift »Die NPD ist verboten!« lese?
Nein, aber ich hoffe auf den Tag, an dem ich lese, dass den Rechtsextremisten der Nachwuchs ausgeht. Darauf müssen wir hinarbeiten.
Johannes Ponader, Piraten-Politiker: Stellen Sie sich vor, ich werde Ihr Nachfolger. Welche drei Dinge geben Sie mir als Tipps mit auf den Weg?
Luthers Bibelübersetzung Spr 16,18. »Wer zu Grunde gehen soll, der wird zuvor stolz; und Hochmut kommt vor dem Fall.«
Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern: Was lässt sich einfacher in 160 Zeichen erklären: die Relativitätstheorie, die Liebe, oder warum es wichtig ist, wählen zu gehen?
Manchmal muss ich darauf bestehen, dass es Dinge gibt, die nicht mit 160 Zeichen zu erklären sind. Für die Liebe braucht man gar kein Schriftzeichen.
Thomas Struth, Fotograf: Was ist Ihr politischer Traum?
Dass Deutschland und Europa stabil, erfolgreich und der Welt gute Partner sind.
Susanne Klatten Unternehmerin: Wenn Sie frei wählen könnten: An welchem Ort würden Sie morgen Früh gern aufwachen?
Zu Hause in der Uckermark.