Mein Vater flog 1987 nach Pakistan, um mit ein paar Freunden den Nanga Parbat zu umrunden. Sie waren drei Wochen unterwegs, haben die ganze Runde aber nicht geschafft. Zwanzig Jahre später wollten die Bergfreunde unbedingt die restliche Etappe gehen. Mein Vater lebt nicht mehr, da haben sie mich gefragt.
Als Kind habe ich im Zorn meinem wanderverrückten Vater geschworen, nie wieder mit ihm in die Berge zu gehen. Das tat ich auch nicht mehr. Jetzt habe ich ohne zu zögern zugesagt. Vor unserer Tour haben wir einige Tage auf der Märchenwiese am Fuße des Nanga Parbat verbracht. Mein Vater hat mir oft davon erzählt: Angeblich tanzen hier nachts die Elfen. Während des Aufstiegs war der Berg nicht zu sehen. Gerade auf der Märchenwiese angekommen, riss die Wolkendecke auf. Wir haben alle geweint.
Die Tour dauerte nur eine Woche lang. Es gab keinen Pfad; bei jedem Schritt war unklar, ob das Geröll hält. Wir sind »aus Versehen« zwei Tagesetappen an einem Tag gegangen, es hat heftig angefangen zu schneien, und auf dem 5000 Meter hohen Pass mussten sich sogar einige der Träger übergeben. Die Freunde meinten, das sei das Härteste, was sie je erlebt haben. Ich kann mich an vieles nicht mehr erinnern. Ich war zu sehr damit beschäftigt, meinen Vater zu verwünschen: Warum war er nicht Segler oder Fußballer?
Dass ich diese Tour geschafft habe, macht mich sehr stolz. Ich habe etwas für meinen Vater Jahre nach seinem Tod zu Ende gebracht und einiges über ihn erfahren. Zum Beispiel, dass er gar nicht so mutig war, wie ich als Kind immer dachte – er hatte damals vor dieser Bergtour gezaudert. Das Schönste ist aber, dass ich etwas von ihm übernehmen konnte: seinen besten Freund.
Höhe: 8125m
Übernachten: Raikot Sarai, direkt auf der Märchenwiese. In der Holzhütte, ab 18 Euro, www.raikotsarainangaparbat.com.
Unbedingt: »Diamir. König der Berge«, von Reinhold Messner, Verlag Frederking & Thaler.