Das Beste aus meinem Leben

Noch dreizehn Wochen bis Weihnachten. Aber im Grunde habe ich jetzt schon alles versaut.Ich wollte mich nämlich diesmal rechtzeitig um die Geschenke kümmern. Alles anders machen als sonst. Nicht mehr so auf den letzten Drücker … Keine Verzweiflungsaktionen am 24. Dezember morgens. In der Vorweihnachtszeit dann sehr entspannt sein. Wollte ich. Alles. So machen.Folgendermaßen: Es ergab sich kürzlich, dass ich mit Paola aus ganz anderem Grund in einem kleinen Juwelierladen war. Wo Paola sich nach diesem und jenem erkundigte und nebenbei einen Ring entdeckte. Der ihr sehr gefiel. Den sie sogleich anprobierte, en passant, wie Frauen das so tun. Zu dem sie »sehr schön« sagte und: »Ach, der gefällt mir aber gut!« Und »Findest du nicht auch, dass er mir gut steht?«Dann legte sie ihn wieder beiseite und wir verließen den Laden. Verabschiedeten uns voneinander, weil ich ins Büro musste und sie noch dies und jenes zu erledigen hatte, weshalb sie um die nächste Ecke verschwand.Ich ging wieder in den Laden zurück. Kaufte den Ring. Weil ich nicht genug Bargeld dabeihatte, bezahlte ich mit der EC-Karte. Als ich wieder auf die Straße hinaustrat, fühlte ich mich beschwingt. Unglaublich erleichtert. Bereits jetzt war ich auf Weihnachten in einer Weise vorbereitet, wie ich es noch nie erlebt hatte. Ich war erstaunt über mich selbst und bewunderte meine eigene Geistesgegenwart. Dass ich die Chance mit diesem Ring sofort erkannt und beim Schopf gepackt hatte!In dieser Stimmung ging ich in mein Büro. Versteckte den Ring an entlegener Stelle. Und dachte nicht mehr daran. Weihnachten war ja weit, weiter noch als heute.Eine Woche später hatte ich bei der Bank zu tun und zog Kontoauszüge aus dem Drucker. Entdeckte dort die Abbuchung einer nicht unbeträchtlichen Summe zugunsten einer Firma namens Schnoderer.Schnoderer?, dachte ich, Schnoderer? Nie hörte ich den Namen Schnoderer. Wie kann ein nicht unbeträchtlicher Teil meines Geldes bei Firma Schnoderer landen, die ich nicht kenne?Noch auf der Straße zückte ich mein Telefon und rief Paola an. Gab meiner Stimme gleich einen vorwurfsvollen Ton und sagte: »Hast du etwas mit einer Firma namens Schnoderer zu tun? Hast du dieser Firma eine nicht unbeträchtliche Summe gezahlt? Fändest du es nicht besser, mir vorher etwas zu sagen, bevor du nicht unbeträchtliche Beträge von meinem Konto . . ?«»Schnoderer?«, sagte Paola. »So hieß der Juwelier, bei dem wir neulich waren. Sonst kenne ich keinen Schnoderer.«Mir lief es siedend heiß …»Ach so …«, stammelte ich. Und dann, so geistesgegenwärtig wie im Moment möglich: »Ja, aber da hast du ja nichts gekauft, oder? Ah, jetzt fällt’s mir ein, Schnoderer, so heißt die neue Firma, bei der man seine Zahnarztrechnungen bezahlt. Hieß sie nicht früher Dentofinanz? Na ja, entschuldige …«Ich legte auf. Aber bevor ich auflegte, hörte ich ein leises Kichern.Weihnachten werde ich mit diesem Ring nicht kommen. Nicht kommen können. Es wäre keine Überraschung mehr. Aber wenn sie den Ring nicht bekommt, wird sie vielleicht enttäuscht sein, was? Sie hatte ihn doch gemocht. Sie wartet jetzt quasi auf ihn.Dreizehn Wochen. Und ich bin ein Idiot.

Illustration: Dirk Schmidt