Ich und mein Fairphone - ein Leidensbericht

Schon bevor der Support für das erste Fairphone eingestellt wurde, trieben die Macken des Geräts unsere Autorin fast in den Wahnsinn. Abschied von einer guten Idee.

Andere Phones waren smart. Meines war fair. Wir wussten das beide, von Anfang an, das Telefon und ich. Wenn ich es nächste Woche zum Sondermüll bringe, werfe ich nicht nur Elektroschrott weg. Sondern auch eine Überzeugung. Ein Stück meines Gewissens.

Es war nicht irgendein Smartphone. Sondern ein Produkt einer niederländischen Firma, die damit warb, dass das Telefon zum Großteil nachhaltig gehandelt und verarbeitet worden war. Dass nicht aus Rohstoffen besteht, die mit Kinderarbeit abgebaut werden. Ich hatte mich lange gegen ein Smartphone gewehrt, gegen diese ständige Erreichbarkeit, gegen die tausend unnötigen Dinge, die mir schleichend den Verstand rauben würden, den Orientierungssinn, das analytische Denken. Aber ich wollte mich auch nicht völlig aus der Gesellschaft verabschieden. Außerdem war da noch der Beruf - als Journalistin ohne Smartphone tut man sich schwer.

Dann wenigstens ein faires Handy, dachte ich. Und das konnte ich haben - 300 Euro für ein reines Gewissen, das schien mir angemessen. Wenn Freunde mich darauf ansprachen, sagte ich überzeugt, irgendwo müsse man ja anfangen, warum dann nicht mit dem Telefon? Optisch konnte es locker mit den Smartphones meiner Freunde mithalten, von den kleinen Macken erzählte ich einfach nichts.

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Als erstes fiel mir das mit dem Lautstärkeregler auf. Wenn ich mit Leuten telefonierte, ertönte ein kurzer Ton, der mir ankündigte, dass sich die Lautstärke von selbst nach unten drehte. Ich konnte meine Gesprächspartner kaum mehr verstehen. Das war bei einigen Menschen sehr praktisch, bei anderen sehr schade.

Das mit der Lautstärke war nicht weiter schlimm, ich habe sehr gute Ohren. Aber im Sommer vor zwei Jahren fiel mir das Telefon auf den Fliesenboden, und das eigentlich dicke Glas zersplitterte in tausend kleine Teile. Kein Problem, wusste ich, denn die Firma warb damit, dass man alle Einzelteile problemlos nachbestellen konnte. Auch das Display. Ich zahlte 70 Euro und mein Telefon war wie neu. Aber trotzdem war es, als hätten sich mit dem Sturz Dantes neun Kreise der Hölle geöffnet. Das Problem mit der Lautstärke war nur die Vorhölle gewesen.

Ende des Jahres wurde es schwerer, mein Telefon aufzuladen. Was zuerst auszutricksen war wie ein Wackelkontakt, wurde zunehmend kniffliger: Der USB-Ausgang war leicht verbogen und das Telefon erkannte den Ladestecker nicht immer. Zuerst lud ich es nur auf harten Oberflächen, zum Beispiel dem Schreibtisch, später nur auf weichen, auf einem Stapel Wäsche oder dem Kopfkissen. Wenn jemand die Oberfläche anrührte oder ans Kabel kam, wurde ich nervös. Im Dezember 2015 brachte ich vor dem Schlafengehen regelmäßig eine Viertelstunde damit zu, den Stecker im USB-Ausgang so zu platzieren, dass mein Handy aufgeladen wurde. Als es sich in den letzten Tagen des Jahres nur senkrecht aufladen ließ, und ich es nachts zwischen Bettrahmen und Matratze klemmte, wusste ich, dass das Ende nah war.

Es wundert mich nicht, dass das Fairphone der ersten Generation nun offiziell gar nicht mehr repariert werden kann. Aber damals, Anfang 2016, als mein Telefon erstmals ausblieb und sich nicht mehr aufladen ließ, konnte man damit noch in den Reperaturladen. Also los: Münchner Augustenstraße, der der Angestellte sah mich mitleidsvoll an. »Ein Fairphone«, sagte er. Ich sagte: »Ja.« Er sah es kurz mit prüfendem Blick an und meinte, man müsse die ganze Platine austauschen. Ich wusste nicht, was eine Platine war, aber es klang wie Aorta - kompliziert. Es werde nicht billig, sagte der Mann. Ich überlegte. Ich dachte an mein Weihnachtsgeld. Und an die Kinderarbeiter. Ich ließ es reparieren.

Wann das Problem mit der Wange auftrat, weiß ich nicht mehr. Ob es vor der Herztransplantation meines Telefons schon da war, oder erst danach. Irgendwas stimmte mit dem Sensor nicht und meine Gespräche brachen abrupt ab. Mein Handy legte einfach auf, wann es ihm passte: Wenn ein Redakteur wegen eines Textes anrief. Wenn eine Freundin erzählte, ihr sei was ganz Blödes passiert. Wenn mein Freund sagte, dass er mich liebte. Ich rief dann immer gleich zurück und sagte: »Sorry, ich kann einfach nicht telefonieren«. Ich schob es auf mich. Auf meine runden, smartphoneunangepassten Wangen. Manchmal kamen mir die Menschen auch entgegen und sagten: »Du, vielleicht war das auch mein Handy«. Dann freute ich mich. Meine Kamera funktionierte übrigens nur noch, wenn ich Nachrichten verschickte, aber das war ein Kontaktfehler, der bei der Herztransplantation passiert war, dafür konnte mein Telefon nichts.

Bis auf den Lautstärkeregler, die abgebrochenen Telefonate, die Kamera und einen Akkutausch hatten wir ein recht schönes letztes Jahr. Dann fiel es mir erneut runter. Ich überprüfte, ob ich mir ein Display nachbestellen könne. Ich habe es wirklich versucht. Aber das Display für mein Modell war nicht lieferbar, auch auf Nachfrage nicht. Ich entschied, dass ich kein Geld mehr für es ausgeben würde, dass wir uns trennen würden. Ich fühlte mich betrogen, von der Idee des Lego-Handys war nicht viel geblieben. Ich überlegte noch, ein neues Modell der gleichen Firma zu bestellen. Aber es kostet inzwischen über 500 Euro. Und was, wenn das den gleichen Charakter hat, wie meines?

Deswegen gebe ich auf. Jedes Wackersdorf-Protest-Gen, das ich von meiner Mutter geerbt habe, sträubt sich in mir. Ich kaufe mir ein günstigeres, eines, bei dem alles funktioniert. Wahrscheinlich aus Taiwan. Ich kann nicht mehr. Ich bin schwach, na und?

Liebes Fairphone, du warst nur ein weiteres Ding in meinem Leben, dass mir meine Ohnmacht gegenüber einer unfairen, umweltsünderischen ausbeuterischen Welt aufgezeigt hat, deren Teil ich bin. Ich mochte dich trotzdem, du warst auf charmante Art so wenig perfekt. Irgendwie haben wir zusammengepasst.

Foto: dpa / Julian Stratenschulte