Theresa Olkus: Seit heute Morgen habe ich den Ohrwurm „Stehengelassene Weinflaschen“. Ist das die Vorstellung, die man von eurem Zuhause, von eurem Hotelzimmer oder eurem Tourbus haben muss?
Michael Marco Fitzthum: Ja (lacht). Ich glaube, als das Lied geschrieben wurde, war das eine Lebensrealität. Eine Lebensphase, die danach geschrien hat, sie zur portraitieren. Weil so verrückt, sorgenlos und in den Tag hineinlebend wie damals als 23-Jähriger werde ich wahrscheinlich nie wieder leben können. Auf Tour ist inzwischen alles relativ „nett“ und brav. Es ist nicht mehr „level extreme“.
Aber Wein ist schon ein ständiger Begleiter der Band, oder?
Ja, wir sind Wiener, Österreicher – also liegt es in unserer DNA, dass wir dem Wein nicht abgetan sind.
Dein Vater war passionierter Weintrinker. Ist das auf dich übergegangen?
Ja, das glaube ich schon (lacht). Von ihm habe ich gelernt, dass man immer die doppelte Menge Wasser wie Wein trinken soll. Das ist ein guter Leitfaden.
Wie ist das bei dir, trinkst du lieber weiß oder rot?
Weiß! Das Rot, das Opium der Weine, ist mir zu schwer. Das packe ich oft nicht. Dafür mag ich alles, was sprudelt und weiß ist.
Ich habe einen Silvaner mitgebracht. Eine Rebsorte, die ihre Wurzeln in Österreich hat, aber großen Erfolg in Deutschland feiert, zum Beispiel in Franken oder Rheinhessen. Ich dachte, das passt heute ganz gut. Wie gefällt er dir?
Wunderbar, super. Es gibt eine Fraktion in Deutschland, die ist sehr austrophil, das kann man schon sagen. Das gibt es auch umgekehrt. Ich glaube viele in Österreich schätzen deutsche Weine.
Beim Stichwort Wien denkt man oft an die Wiener Klassik und die prächtigen Gebäude. Hat dich das beeinflusst?
Ich fand Wien in seiner Kunstgeschichte immer ganz geil, wir hatten immer sehr wilde und expressive Kerle. In der Malerei, in der Literatur, in der Musik – Mozart, Schubert. Was für Typen! Das fand ich immer sehr faszinierend. Wien ist eine wunderschöne Kulissenstadt, die Häuser sehen aus, als könnte man sie essen. Und dem gegenüber steht immer die Beschäftigung mit dem inneren Dreck. Kein Wunder, dass Freud aus einer Stadt wie Wien kommt. Weil dort, wo alles so schön und lebenswert scheint, da ist man geradezu dazu gezwungen, sich mit dem inneren Teufel auseinander zu setzen. Das finde ich sehr spannend.
Glaubst du, das ist auch ein Grund, warum die Musik aus Österreich in Deutschland so einen großen Erfolg hat?
Die Musik ist gut. Sie hat was zu erzählen, aber ich kann es an nichts Kulturellem festmachen. Das muss mir ein Deutscher erklären, warum das so ist.
Mir war lange nicht bewusst, was hinter dem Namen „Wanda“ steckt. Wer war diese Kultfigur?
Sie war eine Figur aus der Wiener Unterwelt, Wanda Kuchwalek. Eine Zuhälterin, sie ist verstorben vor ein paar Jahren. Aber sie hat sich in Wien bis heute einen Namen gemacht. Und als Underground-Band haben wir uns eben auch einen Namen aus der Unterwelt gesucht. Wir hatten damals kein Geld und waren oft in solchen Bars, wo es eben etwas härter zugeht. Im zweiten Bezirk, dem damaligen Revier der wilden Wanda, habe ich immer wieder diese wahnsinnigen Geschichten gehört. Dass sich eine Frau in dieser männlichen Domäne durchsetzt, fand ich unglaublich interessant.
Mein Lieblingssong auf eurem neuen Album „Ciao“ ist „Ein komischer Traum“. Bist du ein verträumter Mensch?
Wahrscheinlich so wie jeder Mensch. Ich wandere zwischen meinem Unterbewusstsein und dieser Welt. Im Leben habe ich mir einen gewissen Realismus erkämpft, würde ich sagen. In meiner Arbeit ist Realismus natürlich total fehl am Platz. Es ist sehr, sehr gut zu träumen. Das Gehirn abschalten zu können, ist eine Grundbedingung, um ein vernünftiges Lied zu schreiben.
Wie kommst du auf die Texte eurer Lieder, hat dein Studium der Sprachkunst dabei geholfen?
Ja, ich habe vorher wirklich mittelmäßig geschrieben und danach habe ich ganz gut geschrieben. Die intensive Beschäftigung mit Sprache war natürlich super. Ich weiß nicht, ob ich jetzt hier sitzen würde, hätte ich das nicht studiert. Es war also notwendig. Ich habe zwar immer Musik gemacht, aber ich wusste, dass Musik allein nicht reicht. Mich hat Musik in deutscher Sprache immer dort verloren, wo der Text schwach ist. Und das wollte ich nicht, ich wollte vernünftige Texte schreiben.
Du hast mal gesagt, dass dein Leben vor der Musik sinnlos war. Gab es denn überhaupt ein Leben vor der Musik bei dir?
Ja, über Strecken natürlich schon. Aber das Leben vor dieser Band war eine Suche nach dieser Band. Eindeutig. Das hat immer gefehlt, jetzt ist es zum Glück da und jetzt lasse ich es nie wieder los. Es macht jetzt alles Sinn und hat etwas Magisches, wenn sich fünf Menschen zu so einer Band zusammentun.
Ab Februar 2020 geht ihr mit dem neuen Album „Ciao“ auf Tour – Gibt es bei dir noch so etwas wie Aufregung, bevor du auf die Bühne gehst?
Nein, das nicht. Aber das gab es auch nie. Ich bin berührt davon, aber ich bin nicht nervös. Ich freue mich einfach darauf. Es ist immer etwas, das man nicht berechnen kann. Bei unseren Konzerten kann alles passieren, das finde ich super. Was ich von mir auf der Bühne hergebe, teile ich sehr gerne mit anderen Menschen. Und ich habe das Gefühl, ich bekomme mehr als genug zurück. Ich weiß gar nicht, ob das den Menschen bewusst ist – aber sie geben uns unfassbar viel zurück.
Zur zweiten Folge: Auf ein Glas Wein mit Sterneköchin Julia Komp
Zur ersten Folge: Auf ein Glas Wein mit Max Herre