Eine gemütliche Runde soll es werden, nur eine kurze Auszeit vom Alltag. Keine sportlichen Höchstleistungen. Also einigen wir uns auf eine kleine Wanderung in den Münchner Hausbergen. Genauer gesagt, fahren wir zum Sudelfeld und unternehmen von dort eine Tour durchs romantische Arzmoos-Tal. Mein Überstundenkonto ist gut gefüllt, das der anderen offensichtlich auch und so können wir schon um 14 Uhr aufbrechen. Damit liegt immerhin der Start unserer Tour im Hellen.
Den ganzen Tag haben sich Wolken und Sonne abgewechselt. Jetzt zeigt sich der Himmel von seiner bedeckten Seite, aber das sind wir ja mittlerweile gewohnt. Also schnüre ich auf dem Parkplatz gut gelaunt meine Wanderstiefel. Paul telefoniert noch kurz: „Ja, die Deadline verschiebt sich um eine Woche“ und „Nein, sonst ändert sich nichts“, dann kommt das Handy in die Tasche. Ich bin echt gespannt, wie viel Outdoor in einen Feierabend passt. Auf den ersten Metern unterhalten wir uns noch über den Job, doch sehr schnell driften die Gespräche vom Büro zu dem Bach, der hier fröhlich neben uns her plätschert. Sein Wasser ist so klar, dass wir selbst vom Weg aus jeden Stein erkennen können. Überhaupt ist die Szenerie wieder einmal wesentlich schöner als ich das bei diesem Wetter erwartet hätte.
Der Weg macht eine leichte S-Kurve und schon stehen wir mitten im Arzmoos, einem kleinen Hochtal. Weit weg von Hektik, Stadt und Zivilisation. Zumindest fühlt es sich für mich so an. Trittspuren an den Hängen erinnern an die Kühe, die hier im Sommer gegrast haben, doch die sind längst im Dorf und wir haben die Ecke ganz für uns alleine. Mit jedem Schritt nähern wir uns dem Nebel, der tief über der Landschaft hängt. Mystisch sieht das aus. Gar nicht nach Alpenvorland, sondern viel mehr nach Abenteuer.
Wir gehen übers Wasser
Dann entdeckt Paul auf der linken Talseite das erste Highlight unserer Tour: Einen imposanten Wasserfall, der sich mit ziemlicher Wucht über die Felsen stürzt. Um dem Spektakel wirklich nahe zu kommen, müssen wir auf glitschigen Felsen über den Bach: erst auf einen runden Stein, der etwas wackelt. Dann ein beherzter großer Schritt auf den nächsten und von dort mit etwas Schwung über das eiskalte Wasser auf die andere Seite. Bei drei Grad Außentemperatur wird auch so ein harmloser Balanceakt zum Nervenkitzel.
Leni hadert etwas mit dem Grip ihrer Schuhe, denn der hat beim letzten Mal für nasse Socken gesorgt. Doch in der Gesellschaft von drei Gentlemen gibt es genug stützende Hände und so landen wir alle trocken auf der anderen Seite. Aus dieser Perspektive wirkt der Wasserfall noch mal imposanter. Laut und kraftvoll klatschen die Tropfen in die kleine Gumpe, die sich am Fuß der Wand gebildet hat und dabei spritzt das Wasser in alle Richtungen. Das ist beeindruckend, fühlt sich aber schnell so an, als würden wir hier unter einer frostigen Dusche stehen.
Die Eiskletterer, die in wenigen Wochen hier sein werden, könnten über solche Befindlichkeiten vermutlich nur müde lächeln. 30 Meter über uns baumelt ein Karabiner an einer Bandschlinge. Es ist schwer, sich vorzustellen wie andere hier mit Steigeisen und Eisgeräten über die Felsen turnen.
Aber wir sind ja zum Entspannen hier, darum gehen wir weiter und suchen uns einen lauschigen Fleck für eine Teepause. Die Hütte am Wegrand ist perfekt dafür: Altes Holz, kleine Fenster und davor eine gemütliche Bank mit genügend Windschutz, um ein bisschen aufzutauen. Wir reden über Bärte. Matthias meint, vor zwei Jahren wäre die optimale Zeit gewesen, sich einen wachsen zu lassen, Paul trägt seinen seit 2012, ich habe mich letztes Jahr dagegen entschieden meinen weiter wachsen zu lassen. Mitten in der Diskussion wird es dunkel. Zeit für die Stirnlampen.
Was die anderen nicht wissen: neben Tee, Keksen und Handschuhen habe ich noch ein echtes Schmankerl dabei.
Als wir dann auf dem Rückweg an einem geeigneten Platz vorbeikommen, ziehe ich unter großem Hallo eine Packung Marshmallows, Holz und Grillstöcke aus dem Rucksack. Ob das jetzt ein bisschen kindisch ist? Die Frage stellt zum Glück niemand.
Wir spielen mit dem Feuer
Erstaunlicher Weise funktioniert das Feuermachen beim ersten Versuch. Kurz darauf starren vier leuchtende Augenpaare in die Glut, dann spieße ich den ersten der Marshmallows auf und halte ihn über die Flammen. Der erste wird etwas schwarz, der zweite wird perfekt: Außen hat er eine leicht karamellisierte Kruste und das Innere ist so weich, dass man ihn direkt vom Stock essen muss. Paul scheint ähnliches Glück zu haben, auf jeden Fall genießt er die Grillaktion mit Schmatzen und breitem Grinsen. Nur Leni kann sich mit den Zuckerbomben nicht so recht anfreunden. Wir überlegen, was wir sonst noch grillen könnten. Aber auf die Schnelle fällt uns keine bessere Alternative ein. Matthias erzählt uns erst, wie ungesund die Dinger sind, meint dann aber nach einer Weile: „Wenn man nicht die ganze Packung isst, geht’s eigentlich“ und lässt sich auch ein paar schmecken.
Am Ende haben wir genau das bekommen, was wir gesucht haben: ein kleines Feierabendteuer, eine dicke Portion gute Laune und viele schöne Momente in der Natur – ohne großen Aufwand. Wer Ähnliches vor hat, sollte an Stirnlampe und Handschuhe denken und beim Feuermachen die rechtlichen Vorgaben einhalten. Dann ist auch unter der Woche eine kleine Outdoor-Auszeit mit Freunden drin.
Zur zweiten Folge: Rainy days, lovely people – beim Pilzesuchen
Zur ersten Folge: Rainy days, lovely people – in der Stadt