Obwohl Lars, Greta und Jakob Geschwister sind, sehen sie sich höchstens alle paar Monate. Seit der Trennung ihrer Eltern wohnt Lars mit seiner Mutter in Thüringen, Greta und Jakob leben mit ihrem Vater in Rheinland-Pfalz. Dazwischen liegen 500 Kilometer, außerdem sind die Eltern völlig zerstritten. Das macht es so schwer, den Kontakt zwischen den Kindern aufrechtzuerhalten. Lars ist elf, Greta 13 und Jakob 15 Jahre alt, sie leiden unter der Trennung und entfremden sich dennoch zunehmend voneinander.
Laut Gesetz hätten sie das Recht, sich zu treffen, wann immer sie wollen, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg schrieb in einem Urteil, die Bindung zwischen Geschwistern sei »zu wichtig, um sie dem Gutdünken und den Launen der Eltern zu überlassen«. Die Praxis sieht anders aus: Der Fall hat bereits vier Gerichte beschäftigt, keines hat sich ernsthaft bemüht, dieses Grundrecht der Kinder durchzusetzen.
Schlimmer noch, das laxe Handeln der zuständigen Gerichte hat überhaupt erst dazu geführt, dass die Geschwister auseinandergerissen wurden und der Fall eskalierte. Vor der Trennung der Eltern lebten die Kinder neun Monate beim Vater – mit Einverständnis der Mutter, die aus beruflichen Gründen weggezogen war. Dann holte die Mutter – ohne Einverständnis des Vaters – die Kinder zu sich. Anstatt ihren Gesetzesverstoß zu ahnden, sprach das zuständige Gericht in Thüringen die Kinder zunächst der Mutter zu. Weil in den folgenden Monaten die älteren Geschwister Greta und Jakob gegen sie rebellierten, entschied das Gericht, dass die beiden zurück zu ihrem Vater dürfen. Und schuf damit vor fünf Jahren den unhaltbaren Zustand, der bis heute andauert.
Protokoll eines Falles, der zeigt, wie willkürlich die deutsche Justiz in Sorgerechts- und Umgangsverfahren zuweilen handelt, und wie insbesondere das Wohl der Kinder, das laut Gesetz im Zentrum all dieser Verfahren stehen sollte, im Gerichtsalltag ignoriert wird.
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