SZ-Magazin: Frau Heen, Sie gelten als Expertin für herausfordernde Gespräche. Was macht eine Unterhaltung überhaupt schwierig?
Sheila Heen: Sie berührt Themen, die einem wichtig sind, etwa die partnerschaftliche Beziehung oder den Beruf. Und meistens steht etwas auf dem Spiel. Läuft das Gespräch mit der Chefin schief, könnte der Job in Gefahr sein. Verläuft die Diskussion mit dem Partner schlecht, ist er womöglich verletzt oder wütend. Der Ausgang solcher Gespräche ist ungewiss. Diese Unsicherheit löst häufig Angst und Anspannung aus.
Ihr Bestseller »Difficult Conversations« ist vor über zwanzig Jahren erschienen. Darin schreiben Sie und Ihre Co-Autoren, dass es bei solchen Gesprächen nicht nur um negativ besetzte Themen gehen müsse.
Dem eigenen Vater zu sagen, wie viel er einem bedeutet und dass man ihn liebt, kann sich ebenso riskant anfühlen. Das ist vor allem dann der Fall, wenn solche Worte der Zuneigung das gewohnte Beziehungsmuster durchbrechen. Man weiß nicht, ob der Vater wohlwollend darauf reagiert oder möglicherweise gar nicht darauf eingeht. Somit macht man sich verletzlich. Als mein Vater krank wurde und wir wussten, dass ihm nicht mehr viel Zeit blieb, haben wir häufiger solche tiefgehenden Gespräche geführt. Ich wünschte, wir hätten früher damit angefangen.
