Wir haben eine Heldin im Haus, sie heißt Claudia und ist Friseurin im eigenen Salon. Aber heute ist Montag, ihr freier Tag. Gerade macht sie Spagat, oben, auf dem schmalen Kaminsims im Flur des Vorderhauses, schräg gegenüber dem Fahrstuhl mit den schmiedeeisernen Blumen, von dem Claudia Meys Mutter behauptet, er sei der zweitälteste von ganz Berlin.
Claudia Mey macht Spagat, da, wo sonst jeder gern hinstellt, was er nicht mehr braucht, was andere aber brauchen könnten: Bücher, Stifte, ein Paar Stiefel, einen Eierkocher, die ungeliebte Duschcreme, Spielzeug. Vor dem alten Spiegel da oben dehnt sie sich, den Hut auf dem Kopf. »Toll!«, raunt zärtlich die Fotografin des SZ-Magazins, »super bist du! Weißt du das? Super.« Das Blitzlicht pufft sacht wie die Flügel sehr großer Falter, und Claudia Meys Lachen, vom Tabak geraut, schallt bis hinaus in den Hinterhof, wie ein Triumph.