»Wer Urvertrauen hat, weiß: Ich kriege das hin«

In der Kindheit Sicherheit und Optimismus zu erfahren, hilft später, um gut durch Krisen zu kommen. Doch was, wenn das fehlt? Die Psychotherapeutin Eva Rass erklärt, wie man Urvertrauen auch als Erwachsener noch erlangen kann – und was Eltern kleiner Kinder beachten sollten.

Schon ein kurzer Spaziergang und bewusstes Atmen können den Körper in Stresszuständen regulieren, sagt die Psychotherapeutin Eva Rass.

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SZ-Magazin: Frau Rass, was verstehen Sie unter Urvertrauen?
Eva Rass: Ich würde es als eine Haltung von Grundoptimismus bezeichnen. Im Zentrum steht die Fähigkeit, innere Anspannung zu regulieren. Wer Urvertrauen hat, weiß: Selbst wenn ich unter Anspannung stehe, wenn Herausforderungen oder Krisen kommen – ich kriege das hin. Der Grundstein dieser inneren Sicherheit wird in der frühen Kindheit gelegt. Das ist die kritischste Phase für die Entwicklung von Urvertrauen.

Warum in der frühen Kindheit?
Der Mensch kommt biologisch betrachtet etwa zwei Jahre zu früh auf die Welt. Der präfrontale Cortex ist bei der Geburt noch nicht ausgereift, viele Funktionen, die später Selbstregulation ermöglichen, müssen erst heranreifen. In den ersten zwei bis drei Lebensjahren muss also die Umwelt den Mutterleib auf eine Art ersetzen. In der Psychologie spricht man oft statt von Urvertrauen von sicherer Bindung – sie entsteht in der frühen Interaktion mit den engsten Bezugspersonen, schon vor der Geburt. Je stressfreier die Schwangerschaft verläuft, desto besser ist das kindliche Gehirn auf Stressregulation vorbereitet, wie Studien etwa über Kinder nach Naturkatastrophen zeigen.