»Warum wird erwartet, sich dem Bedürfnis nach mehr Sex anzupassen?«

Die Moderatorin Maria Popov hat ein Buch über den Druck geschrieben, Lust zu haben. Im Interview spricht sie darüber, wie Paare mit Unlust umgehen können, warum Sextoys nicht die Lösung sind – und was sie fühlte, als sie selbst merkte, dass sie asexuell ist.

Foto: © Sophia Emmerich, Collage: SZ-Magazin

SZ-Magazin: Frau Popov, warum haben Sie Ihr Buch »Kein Bock Club« genannt und nicht »Hallo, ich bin asexuell«?
Maria Popov: Das ist kein Coming-out-Buch. Ich wollte zwar meine eigene Geschichte erzählen, weil es dieses eine Prozent der Asexuellen wirklich gibt. Aber es geht mir auch um Unlust, die uns alle betrifft. Deswegen habe ich den Begriff »Kein Bock« gewählt: weil er nicht direkt mit Feminismus, akademischer Sprache oder Queerness verbunden wird, denn all das kann ausschließend wirken. Mir stimmen sicher nicht alle Leute zu, wenn ich sage, ich finde Sex überbewertet. Und nicht viele fühlen das, wenn ich sage, ich bin mir nicht so sicher, ob ich jemals sexuelle Anziehung zu jemandem empfunden habe. Aber den Druck, Bock haben zu müssen, den fühlen, glaube ich, alle.

Sie sind sich nicht sicher, ob Sie jemals sexuelle Anziehung zu jemandem empfunden haben?

Asexualität kann bedeuten, keine bis kaum sexuelle Anziehung zu empfinden. Das ist ein Spektrum, und ich verorte mich darin. Wo genau, möchte ich nicht öffentlich besprechen – ob ich mich einmal im Leben sexuell zu jemandem hingezogen gefühlt habe oder von mir aus öfter. Ich habe gemerkt, egal, wie doll ich verliebt bin, egal, wie doll ich mich sinnlich zu jemandem hingezogen fühle, ich denke nie direkt daran, dass ich mit jemandem ins Bett gehen will. Sex ist für mich wie Wandern, das mache ich meiner Freundin zuliebe auch manchmal, aber ich vermisse es nicht, wenn es wochenlang nicht passiert.

Die klassischen Ratgeber-Tipps für mehr Lust lauten ja: neue Dessous, mehr Sextoys, dann läuft das schon wieder im Bett. Was halten Sie von diesen Tipps?
Ich habe sie selbst befolgt, weil ich dachte, sie würden mir helfen. Heute bin ich mir ganz sicher, dass sie niemandem helfen, außer denjenigen Leuten, die an ihnen verdienen. Nichts gegen Sextoys, die haben mir meinen ersten Orgasmus beschert. Aber dahinter steckt der Gedanke: Man muss es irgendwie fixen, das ist ein Problem, das man beheben soll. Und da stelle ich mich ganz entschieden dagegen. Keinen Bock zu haben, ist kein Problem.