»Das Verhalten der Eltern ist relevanter als das, was sie sagen« 

Wie beeinflusst das Elternhaus unsere späteren Partnerschaften? Und wie lebt man seinen Kindern eine gesunde Beziehung vor? Eine Familientherapeutin erklärt, wie sich ungute familiäre Prägungen ablegen lassen. Und warum man nie »Du bist wie deine Mutter!« sagen sollte.

Foto: Annie Spratt auf Unsplash

SZ-Magazin: Viele Menschen neigen dazu, ihre Vergangenheit für ihr Glück oder Unglück verantwortlich zu machen. Wie sehr prägt uns die Kindheit tatsächlich für das spätere Leben?
Alissa Hagemeier: Wir kommen relativ unbeschrieben auf die Welt. In der frühen Kindheit durchlaufen wir die ersten prägenden Phasen. Manche Menschen sagen: »Ich kann mich nicht mehr daran erinnern – wie soll mich das noch beeinflussen?« Aber die Forschung zeigt, dass es durchaus Erinnerungen aus dieser Zeit gibt, man kann sie nur nicht mehr abrufen. Wir nennen sie »präverbale Erinnerungen«. Wir können sie nicht verbalisieren, weil sie aus einer Zeit stammen, in der wir noch keine Sprache gelernt hatten. Daher ist die Erinnerung sehr abstrakt. Trotzdem fühlt man zu dieser Zeit schon sehr viel. Deshalb kann es sein, dass wir auf eine solche Erinnerung körperlich reagieren. Etwa mit einem Engegefühl in der Brust oder einem Kloß im Hals. Zum Beispiel kann eine Abneigung gegen ein Tier entstehen, ohne dass klar ist, woher sie stammt. Bis die Eltern erzählen: »Damals im Urlaub sind die Kühe mit ihren lauten Glocken neugierig zum Kinderwagen gelaufen, dann hast du immer geweint.« Diese prägenden Gefühle aus der Kindheit können die Art, wie wir uns später verhalten, beeinflussen.