Herr Hemschemeier, warum glauben Sie, dass es früher mehr toxische Beziehungen gab als heute?
Seit einigen Jahren sinkt die Scheidungsrate in Deutschland gewaltig. Aber toxische Momente in einer Beziehung werden eher wahrgenommen, auch die Medien sorgen heute dafür, dass man genau draufschaut, und das ist gut so. Die Generation unserer Eltern kennt viel krassere Geschichten, es gab viel mehr Gewalt früher. Und man muss natürlich auch immer unterscheiden: Eine unglückliche Beziehung bedeutet längst noch nicht, dass sie auch toxisch ist.
Was ist in Ihren Augen eine toxische Beziehung?
Toxisch heißt aus meiner Sicht, in eine regelrechte Abhängigkeit zu geraten. Man wird liebessüchtig aufgrund eigener Anfälligkeit, ähnlich wie bei Drogenmissbrauch oder Spielsucht. Man kann nicht mehr essen, schlafen, arbeiten – im Unterschied zu normal unglücklichen Beziehungen. Bei toxischen Beziehungen rate ich immer zur Trennung. Da ist nichts mehr zu retten. Bei den anderen muss man halt gucken.