»Im achtzehnten Jahrhundert lebte in Frankreich ein Mann, der zu den genialsten und abscheulichsten Gestalten dieser an genialen und abscheulichen Gestalten nicht armen Epoche gehörte.« Der Deutschlehrer sah vom Buch auf in das Klassenzimmer, das kein typisches Klassenzimmer war, da wir seit Anbeginn des Schuljahres separiert vom Schulgebäude in einem Pavillon untergebracht worden waren. »Dieses Buch werden wir ab heute lesen. Das Parfum von Patrick Süskind. Ich hatte erst Bedenken, da es ein Buch voller Gewalt ist, es gibt zig Morde an jungen Frauen darin, aber ich finde, dass ihr alt genug dafür seid.« Während er dies mit einem verschmitzten Lächeln verkündete, wedelte er mit dem Buch herum, sodass ich von meinem weit vom Pult entfernten Platz in der letzten Reihe aus eine liegende Frau mit wallendem Haar, schlafend oder tot, auf dem Einband erkennen konnte. »Ich werde euch heute den Beginn des Romans vorlesen. In der Hoffnung, euch so den Einstieg in die Lektüre zu erleichtern. Es ist wirklich außerordentlich spannend.« Ich erinnere mich an die Worte des Deutschlehrers deshalb so genau, da sich in dieser Schulstunde ein Eklat zwischen mir und ihm ereignen sollte, der sich zu diesem Zeitpunkt nicht im Geringsten angekündigt hatte.
Schulstoff
Ein jähzorniger Lehrer, ein frecher Schüler namens Joachim Meyerhoff, und eine vollgespuckte Fensterscheibe: In seiner Kurzgeschichte für das SZ-Magazin erinnert sich der Schauspieler und Schriftsteller an eine explosive Episode seiner Gymnasialzeit.

Illustration: Yves Haltner