Von welcher Gestalt die Unendlichkeit sein mag, bleibt einem auch auf diesem Klosterhof am Rande des Harz verborgen, doch kommt man ihr – im Rahmen der Öffnungszeiten – immerhin mal ein gutes Stück näher. Denn auf dem Gelände liegt, angenehm unscheinbar, die Sankt-Burchardi-Kirche, und in der läuft gerade eine Aufführung. Spieldauer 639 Jahre, keine Pause.
ORGAN²/ASLSP heißt die Orgel-Adaption, die als Akronym den Titel des Originals von John Cage enthält, der zugleich als Tempovorschrift zu verstehen war, as slow as possible. Mit so einer vagen Maximalforderung bringt man Menschen natürlich auf komische Gedanken, aus denen herzerweichend schöne Wirklichkeiten werden können. Und die Sankt-Burchardi-Kirche, die seit Napoleon streng genommen keine Kirche mehr ist und sich zwischenzeitlich als Stallung, Schweinestall und Schnapsbrennerei durchschlug, hat jetzt eine solche schöne Wirklichkeit in einem längerfristigen Engagement gefunden: 639 Jahre nachdem die Fertigstellung der ersten Großorgel der Welt Halberstadt zu einem, wenn nicht dem Ursprung moderner Musik machte, begann 2001 die Aufführung von ORGAN²/ASLSP.