SZ-Magazin: Erinnern Sie sich an das erste Musikstück, das Sie berührt hat?
Meredith Monk: Meine Mutter hat mir immer Danny Boy vorgesungen, ein irisches Volkslied. Sie war eine wunderbare Sängerin und ist in den Dreißigern, Vierzigern und Fünfzigern auch im Radio aufgetreten. Singen war schon früh etwas ganz Normales, Natürliches für mich – so ähnlich wie Atmen. Man sagt, dass ich mit drei Jahren durch unsere Nachbarschaft gezogen sei und allen etwas vorgesungen habe.
Sie kommen aus einer sehr musikalischen Familie: Ihre Mutter sang Pop und Jazz im Radio, ihr Großvater war Opernsänger, ihr Urgroßvater Kantor an einer Synagoge in Moskau.
Ja, ein solches Erbe kann aber auch schwierig sein. Eine Weile war ich unsicher, wo mein Platz in dieser Familie sein könnte, und habe mich deshalb eher mit Tanz und Bewegung beschäftigt. Ich hatte schon als Kind Dalcroze-Rhythmik gelernt, das ist eine Methode, bei der man Kindern Rhythmus und musikalischen Ausdruck mittels verschiedener Bewegungsabläufe beibringt. Auf dem College schrieb ich mich gleichzeitig für Gesang und für Tanz ein. Außerdem sang ich Folksongs. Ich liebte die Aufrichtigkeit und Intensität der alten britischen Balladen. Ihre Traurigkeit passte recht gut zu meiner Stimmung in dieser Zeit.