»Netanjahu ist unsicher und ängstlich«

Avi Primor war israelischer Botschafter in Deutschland. Jetzt ist er bald 90 Jahre alt und kann offen sprechen: über die Korruption in Tel Aviv, die Planlosigkeit der religiösen Fanatiker und sein mangelndes Vertrauen in die israelische Regierung.

Botschafter mit Botschaften: Avi Primor in der Nähe seiner Wohnung in Ramat Gan.

Fotos: Jonas Opperskalski

Was muss man können als Diplomat? Freude am Gespräch mit anderen Menschen sollte man haben. Man sollte wissen, was davon erzählt werden kann und was lieber nicht. Mit Fremdsprachen sollte man sich nicht allzu schwertun. Avi Primor hat erst mit 58 Jahren Deutsch gelernt – als er 1993 Israels Botschafter hier wurde. Er spricht es immer noch perfekt, praktisch ohne Akzent. Und nun, mit beinahe 90, kann er Dinge erzählen, die er früher wohl für sich behalten hätte.

SZ-Magazin Wie geht es Ihnen mit fast 90 Jahren und angesichts des Krieges?
Avi Primor: Meine Familie und ich leiden nicht unmittelbar unter der Situation. Persönlich geht es uns gut, diejenigen unter uns, die eingezogen wurden, sind weder getötet noch verletzt oder gefangen genommen worden. Wir haben Glück gehabt. Aber wir sind dauernd besorgt, dauernd beunruhigt. Wie die meisten Israelis. Wir haben kein Ver­trauen, vor allem nicht in unsere Regierung.