Abschied von CUS

Zu den beliebtesten Rubriken im SZ-Magazin gehörte unser wöchentliches Rätsel »Das Kreuz mit den Worten«. Nun ist der Mann dahinter, Curt Schneider alias »CUS«, bei einem tragischen Unfall ums Leben gekommen. Ein Nachruf.

Das SZ-Magazin hat einen Teil seiner Seele verloren. Unser Freund und Kollege, das Rätselgenie Curt Schneider, ist gestorben. Es ist ein unfassbarer Verlust.

Seit über 32 Jahren, seit der ersten Magazin-Ausgabe am 11. Mai 1990, hat Curt das Kreuz mit den Worten erdacht. Woche für Woche. Jahr für Jahr. Als die Gründungsredaktion damals jemanden brauchte, der sich ein Rätsel einfallen lässt, kam er gerade recht: ein lustiger Kerl von 30 Jahren, Bruder einer Redakteurin. Er übernahm die Aufgabe – na klar, bastle ich eben ein paar Rätsel –, noch nicht ahnend, dass daraus das Thema seines Lebens werden würde und dass er mit seinen genialen Einfällen zahllose Rätselhefte und ganze Bücher füllen würde.

Das Kreuz mit den Worten war vom ersten Tag anders als andere Rätsel: geistreicher, gewitzter, schwieriger. Die Leserinnen und Leser liebten es. Curt Schneider war ein Großmeister der Wortspiele, der Umdeutungen, der Neuschöpfungen. Und um alles noch rätselhafter zu machen, beschloss er, sich ein Pseudonym zu geben: CUS. Seine Initialen. Eine spielerische Idee, mit der er das größte Mysterium des SZ-Magazins schuf. In all den kommenden Jahren erfuhr kaum jemand, wer CUS wirklich war. Leserinnen und Leser schickten Briefe mit Mutmaßungen, werteten vermeintliche Indizien aus und hatten über die Jahre alle möglichen Mitglieder der Redaktion im Verdacht, das Rätsel in einer Art Schattenexistenz zu verfassen.

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Alle lagen sie daneben. Und Curt, der Spaßvogel, saß an seinem Schreibtisch im Münchner Westen und freute sich diebisch über all die falschen Verdachte … Verdächte? Verdachtata? Ach, die deutsche Grammatik und ihre Windungen: So eine Frage hätte sofort wieder zu herrlichen Mail-Dialogen mit ihm geführt. Curt liebte es, über Sprache zu diskutieren, über Feinheiten zu streiten. Kuriose Wortformen, seltene Pluralbildungen, altmodische Adjektive. Das war sein Spielplatz. Und was machte es ihm eine Freude, der Schlussredaktion beweisen zu können, dass seine schräge Formulierung bei Rüber 30 natürlich völlig korrekt war. Oder der lateinische Plural bei Runter 17. Und auch die Leserinnen und Leser liebten es, mit CUS in langen Briefen oder E-Mails zu debattieren. Mal versuchten sie, ihm Fehler nachzuweisen (was kaum gelang), mal mahnten sie ihn, das Rätsel sei zu schwer, mal mahnten sie ihn, es sei zu leicht.

Nie erhielt das SZ-Magazin mehr Leserbriefe als in den sehr seltenen Fällen, in denen das Rätsel ausfallen musste. Es hagelte Proteste, wenn Leserinnen und Leser nicht ihr geliebtes Kreuz mit den Worten an gewohnter Stelle fanden, um sich wieder lustvoll den Kopf zu zerbrechen über die Fragen, die Curt mit seiner wilden, ausufernden, grenzenlosen Phantasie ersonnen hatte. Wer das Rätsel oft genug lösen konnte, lernte ihn auch ein bisschen kennen – den Curt hinter dem CUS, seinen Humor, seine Art zu denken, seinen Blick auf die Welt. Weit über 1600 Rätsel waren es in diesen 32 Jahren, eine unglaubliche Menge.

Es wäre so schön, jetzt aus anderen Gründen diesen Blick zurück auf seine Arbeit werfen zu können. Es hätte doch, verdammt noch mal, auch eine Jubiläumsfeier anstehen können. Sowas wie: CUS hat zum tausendsten Mal das Wort »Ehe« verrätselt. Es war das häufigste Wort, tatsächlich, und jedes Mal fand er eine neue Frage dazu. Er konnte das. Nur er konnte das.

Aber nein. Kein Jubiläum. Trauer. Nicht nur CUS ist tot – vor allem ist unser Freund Curt gestorben. Am 7. Oktober ist er beim Wandern in den bayerischen Alpen abgestürzt, er war erst 62 Jahre alt.

Vor einem Jahr hat er mal das Wort »Treffen« verrätselt. Seine Formulierung lautete: »Der Tod kann uns alle mal.« Eine seiner geliebten Doppeldeutigkeiten. Ja, Curt, der Tod kann uns alle mal treffen. Und er kann uns alle mal. Aber dafür, dass du jetzt schon sterben musstest, kann er uns doppelt und dreifach.

Mann, Curt! Du wirst uns so fehlen. Als Kollege, als Freund, als Überraschungsgast, als Rätselgenie. Vor allem aber als Mensch. Wir sind untröstlich.