Die Sonne über Kalifornien sorgt für angenehme Temperaturen. Herb duftende Holzspäne bedecken den Boden. Darauf stehen in Reih und Glied 149 grün-weiße Polyesterzelte, fabrikneu. Ein Campingplatz? Das Idyll trügt. Alle zehn Minuten peitscht ein startender Jet über den kargen Staubplatz. Erholung findet hier sowieso niemand.
Das Lager ist eine staatliche Reaktion auf eine wild wuchernde Zeltstadt, die sich in den letzten Monaten am Stadtrand von Los Angeles ausgebreitet hat. Zeitweise 600 Frauen, Männer und Kinder hausten dort zwischen Gleisen und streunenden Hunden, Bergen von Abfall und klapprigen Möbeln. Jetzt wurde daneben eine zweite, offizielle Zeltstadt errichtet. Die Menschen, die hier leben, gehören zu den Millionen zahlungsunfähiger US-Familien, deren Häuser im Zug der aktuellen Finanzkrise zwangsversteigert werden. Der Staat weiß keine Antwort auf ihre Probleme; alles, was er zu bieten hat, sind notdürftige Unterkünfte – und das mitten in den USA. Ein Fall unter vielen: der Gabelstaplerfahrer David James. Er brach sich in North Carolina die rechte Wade. Versichert war er nicht, Spital- und Arztkosten beliefen sich auf 40000 Dollar. Das Haus des 52-Jährigen wurde versteigert. Sein Geld reichte noch für ein Busticket nach Kalifornien. Ein von der Ortsverwaltung ausgestellter Ausweis verschafft ihm nun Zutritt zum Zeltcamp. Er duscht unter freiem Himmel, kocht auf offenem Feuer, betreibt den Fernseher mit einer Autobatterie. Zwischen zehn Uhr nachts und sechs Uhr früh muss er im Zelt sein.
Und noch etwas teilt James mit den anderen Menschen hier: das völlige Fehlen realistischer Aussichten. Denn einen neuen Job zu finden ist fast unmöglich, wenn man auf die Frage nach dem Wohnort nur ein Zelt nennen kann. »Amerika erlebt die größte Wohnungsnot der Geschichte«, sagt der Obdachlosen-Aktivist David Busch. Weitere amerikanische Städte wollen das Los-Angeles-Modell nun übernehmen.
Foto: Stefan Falke