Schlechter Mensch, gutaussehend

Darf man den toten Neonazi, Serienmörder und NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt sexuell anziehend finden?

Illustration: Serge Bloch

»Mein bester Freund und ich haben uns eingehend mit dem NSU-Komplex beschäftigt und sind zutiefst bestürzt über die Geschehnisse. Natürlich sind uns dabei immer wieder Fotos des Trio-Mannes Uwe Böhnhardt begegnet, und wir mussten voller Entsetzen feststellen, dass wir ihm eine gewisse Attraktivität attestieren. Wir schämen uns für das Gefühl, einen Neonazi, Terroristen und Serienmörder sexuell anziehend zu finden. Wie sollen wir damit umgehen?« Mara B., Berlin

Interessante Frage. Ihr liegt der Gedanke zugrunde, dass schlechte Menschen in der Regel auch schlecht aussehen und gute Menschen gut. Was wiederum bedeuten würde, dass es so etwas wie nur schlecht oder nur gut bei Menschen gibt. Das ist natürlich nicht so. Und was für ein Glück. Wie arm wäre die Welt, wenn alles so klar wäre. Wenn man auf den ersten Blick sagen könnte, uuh, da kommt uns ein sehr schlechter Mensch entgegen, lass uns mal lieber die Straßenseite wechseln. Nein, warte, lass uns am besten gleich die Polizei rufen, so hässlich wie der ist. Dabei kann jemand sehr gut oder nett – oder sogar warmherzig – aussehen und zugleich ein verabscheuungswürdiger Massenmörder sein. (Fragen Sie mich mal nach Osama bin Laden.)

Das ist ja das Komplizierte – und Interessante – am Leben: die Widersprüche. All diese Dinge, die wir gerne in entweder/oder unterteilen, die aber in Wahrheit neben­einander existieren. Also: Jemand ist Massenmörder und attraktiv. Oder Barack Obama: attraktiv, Friedensnobelpreis­träger und hat Menschen durch Drohnen ermorden lassen. Wir haben doch ständig mit ungeheuerlichen Gegensätzlichkeiten umzugehen, die wir irgendwie unter einen Hut bringen müssen, was unser Gehirn schon mal bis über seine Belastungsgrenze bringt.

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Ich glaube, entscheidend ist, ob Sie Uwe Böhnhardt attraktiv finden, weil er ein Mörder ist. Dann hätten Sie sich wirklich ein paar Fragen zu stellen, die allerdings nur Sie selbst beantworten können, los­gehend mit »Welche eigenen inneren Abgründe schaue ich mir nicht an?« bis eventuell hin zu »Wie finde ich einen guten Therapeuten?«, aber so klingt Ihre Frage nicht. Wie sollen Sie also mit Ihrem ­Gefühl umgehen? In dem Fall müssen Sie das ja gar nicht. Halten Sie es aus, mit ­Widersprüchen zu leben. Sie werden diesem Mann niemals begegnen.