Das Beste aus aller Welt

Die Welt wäre ein besserer Ort, würde jeder einen Polyurethan-Anzug bei seiner Arbeit tragen, findet unser Kolumnist Axel Hacke.

Nun beginnt die Schwimm-Weltmeisterschaft in Rom, und natürlich sind wir alle sehr gespannt, welchen Weltrekorden unsere Schwimmer in ihren neuen Ganzbody-Schwimmanzügen entgegenstreben werden. Vorbei sind ja die Zeiten, in denen Schwimmerin und Schwimmer in einfachem Badeanzug oder kurzer Hose ins Wasser stiegen. Heute bestreitet der Athlet von Format seinen Wettkampf in einer Art Gesamtkörperbeschichtung aus Polyurethan, wobei wir uns jetzt bitte gemeinsam kurz konzentriert an den Chemie-Unterricht erinnern: Polyurethane sind Kunststoffe, welche aus der Polyadditionsreaktion von Diolen beziehungsweise Polyolen mit Polyisocyanaten entstehen.

Sie zeichnen sich also erstens durch eine besondere y-Dichte im Gewebe aus. Zweitens pressen sie den Schwymmerkörper in eine fürs Schwymmen geeignete Form, machen also selbst aus einem O-förmigen Sportler einen 0-geformten, was den Polympioniken (das ist selbst dem Laien sofort einsichtig) ganz anders durchs Wasser gleiten lässt. Um es in den Worten von Britta Steffen zu sagen: »Ich bin durchs Wasser gestochen wie durch Butter.« Ja, nun: durch Butter? Woher weiß Frau Steffen, wie man durch Butter »sticht«? Wie es sich anfühlt, ein Butterbecken zu durchkraulen? Man stellt sich sofort das Geheimtraining der deutschen Schwimmerinnen vor, bei dem sie in einem Becken voller Milch gnadenlos so lange hin- und hertrainieren müssen, bis aus der Milch Butter entstanden ist. Der Schwimmstil Butterfly gewinnt hier noch einmal einen ganz anderen Aspekt hinzu. Das Wunderbare an diesen Anzügen ist, dass, wer immer sie über seinen Körper pellt, sicher sein kann: Er wird schneller sein als zuvor.

Jeder von uns kennt das Gefühl, wie ihn ein neues Kleidungsstück im Alltag beflügelt. Wie er also, von einem frisch gekauften Oberhemd oder einer gestern erst erworbenen Bluse bekleidet, heute ganz anders in den Tag geht als gestern. Das ist das eine. Aber das andere wäre: Erscheint es nicht wünschenswert, die erwähnten Beschleunigungseffekte auch in anderen Berufen zu erzielen, nicht nur in dem des Wasser-
athleten? Wäre es nicht großartig, eine die Performance optimierende Klamotte auch für den Arbeitsalltag jedes gewöhnlichen deutschen Arbeitsmenschen zu entwickeln? Nicht immer nur für Spitzensportler?
Könnte man sich nicht vorstellen, dass auch die Verwaltungsfachangestellte sich morgens einen Polyurethan-Anzug über ihren Verwaltungsfachangestelltenkörper streift, worauf die durch sie vollzogenen Verwaltungsakte in immer neuem Rekordtempo über ihren Schreibtisch… ja, eben nicht mehr gehen, sondern geradezu schnellen.

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Wäre es nicht denkbar, dass man eine Art Hightech-Bekleidung konstruierte, welche es auch dem Klempner ermöglichen würde, nicht erst »nächste Woche« eine defekte Dusche zu reparieren, sondern noch »heute«? Und es ließe sich sicher die Pünktlichkeit der Bahn verbessern, entwickelte man eine neue, die Personalkörper straffende, deren Durchblutung fördernde und noch die letzte Schaffnersilhouette windschnittig formende Bekleidung.

Ich möchte für mich selbst keine Ausnahme machen. Habe in den vergangenen Jahren alles probiert: Eine Lance-Armstrong-Salbe machte meine Fingerspitzen beim Schreiben so geschmeidig, dass sie über die Tastatur glitten wie über Butter; Claudia Pechsteins Blutkörperchen sind alte Säcke gegen meine blutjungen Retikulozyten; meine Gedanken kamen ins Galoppieren, als ich Mittel nahm, die Isabell Werth nur ihrem lieben Whisper verabreichte. Ich schonte mich nicht. Heute aber trug ich erstmals den neuen Kolumnisten-Wunderanzug von … Bieeeep mit extra vielen Ypsilons aus dem Hause … Bieeeep.Ergebnis: Erstmals blieb ich unter 1:36! Und ich schrieb mit offenen Schnürsenkeln und begann schon zehn Zeilen vor dem Schluss zu jubeln!