Es war einmal ein schöner junger Königssohn, der seine dunklen glatten Haare immer straff zurückgekämmt trug, weshalb ihn alle Welt nur Prinz Gutti nannte. Prinz Guttis liebster Platz befand sich am Rande eines kühlen Brunnens draußen im Wald nahe dem Schloss unter einer großen Linde. Dort saß er oft allein, umgeben nur von einigen hundert Pressefotografen und Kameramännern, betrachtete sich im Spiegel des Brunnenwassers und bereitete sich auf größere Aufgaben vor. Nun trug es sich aber einmal zu, dass der Prinz, wie er so sein Antlitz im Brunnenwasser schimmern sah, sich zu weit vorbeugte und noch weiter und noch weiter, so weit, dass ihm seine eigentlich doch fest sitzende, helmartig den Kopf bedeckende Frisur nach vorne rutschte und, platsch!, ins Wasser fiel. Prinz Gutti folgte ihr noch mit den Augen nach, aber die Frisur verschwand, und der Brunnen war tief, so tief, dass man keinen Grund sah.
Da erhob sich ein prasselndes Geräusch wie von einem schweren Regenschauer. Es waren aber die Objektive der Fotografen, die den Prinzen ohne seine Frisur fotografierten wie die Wilden. Noch in derselben Minute wurde die Weltöffentlichkeit über die Haarlosigkeit Prinz Guttis informiert. Doch der merkte davon gar nichts. Denn wie er sich erstaunt im Wasserspiegel betrachtete und auch eigentlich frisurlos dermaßen gut aussehend fand, dass er nicht anders konnte, als sein plötzlich verändertes Aussehen mit jener Gelassenheit uralten Adels hinzunehmen, welche die Öffentlichkeit an ihm so liebte – während das alles also so war, beschäftigte ihn erstens die Frage, welcher Zauber es möglich gemacht habe, dass die mit seinem noch jungen Haupt fest verwachsenen Haare herunterrutschen konnten wie ein billiges Toupet, und zweitens war ihm unklar, was das für ein Frosch war, der nun aus dem Wasser auftauchte und sogleich zu reden begann.
Der Frosch erklärte ihm, man befinde sich in einem Märchen, da sei vieles möglich, auch überraschender Frisurenverlust. Dann bot er an, die Haare wiederzubeschaffen.
»Was verlangst du dafür, Wasserpatscher?«, fragte Prinz Gutti. »Was soll ich dir geben?
Meine Jugend, meine Hoffnungen, die Liebe, welche die Bevölkerung für mich empfindet? Du wirst nichts davon bekommen, denn meine an jahrhundertealten Prinzipien orientierte Erziehung verbietet es, mit Fröschen irgendwelche Deals zu machen.« Der Frosch sagte, es reiche ihm, einmal von Prinz Gutti kräftig gegen die Wand geworfen zu werden.»Nun …«, entgegnete der Prinz zögernd, aber bevor er weitersprechen konnte, war der Frosch weg und tauchte mit der Frisur wieder auf.
Der Prinz setzte sie auf, ging ins Schloss und vergaß den Frosch, weil er sich, unter uns gesagt, Frösche generell einfach nicht gut merken konnte.Am Abend jedoch saß er mit seiner Frau, den Kindern sowie seinem Cousin, dem Grafen von D., zwei Hofschauspielern und einigen hundert Fotografen und Kameramännern bei einem intimen Souper, als, plitsch, platsch, der Frosch erschien und seinen Lohn verlangte.
Der Prinz zögerte, denn klar war, dass die Misshandlung eines Frosches ihn in Deutschland nicht nur einige Wählerstimmen, sondern die ganze Karriere kosten würde. Deshalb ließ er den Frosch eine mehrseitige Erklärung unterschreiben, wonach es seinem langgehegten, tiefinneren, naturgesetzlichen Froschwollen entspreche, von Prinz Gutti gegen eine Schlosswand geworfen zu werden, spendete sodann aus seinem Privatvermögen einige Krötenzäune für den Landkreis, erörterte mit seiner Frau und dem Grafen von D. den Lurchwurf im Lichte der jahrhundertealten Prinzipien des Adels – und ließ den Frosch fliegen.
Als der aber von der Wand herabfiel, war er kein Frosch mehr, sondern eine kugelsichere Weste. »Wie sich doch alles in meinem Leben sinnvoll fügt«, dachte der Prinz, ließ einen zweiten Frosch aus dem Schlossbrunnen kommen, warf auch ihn nach Abschluss der Formalitäten wandwärts, streifte seiner Frau und sich selbst die so entstandenen kugelsicheren Westen über und reiste in das ferne und gefährliche Land A. ab.
Illustration: Dirk Schmidt