Was das Volk angeht, so muss leider in aller Deutlichkeit gesagt werden: Es ist zu fett. Insbesondere isst das Volk zu viel verarbeitetes Fleisch. Wieder und wieder ist dem Volk in aller Deutlichkeit gesagt worden, dass es ausgesprochen ungesund sei, pro Tag mehr als vierzig Gramm Wurst zu sich zu nehmen. Schon ein einziges Wiener Würstchen wiegt aber nicht unter fünfzig Gramm! Dem Verfasser sind nun Mitglieder dieses Volkes bekannt, die erst gestern 2 (in Worten: zwei!) Wiener verzehrt haben; mit einem Fuß im Grabe stehend, die durch ausufernden Fleischkonsum entstandene Klimakatastrophe quasi billigend, alle kardiologischen Bedenken in den Wind schlagend haben sich diese Menschen rücksichtslos dem eigenen Tod entgegengefressen.
Ja, der Autor selbst muss bekennen, erst vor 14 Tagen in nachgerade sabbernder Gier seine Zähne in ein Stück luftgetrockneter Hartwurst geschlagen zu haben. In zentimeterdicken Scheiben schnitt er, der Autor, sich - die arteriosklerotischen Prozesse in seinem eigenen Körper nicht achtend - Stück um Stück dieser Hartwurst ab, die ja im Grunde eine einzige gesättigte Fettsäure war, und während ihm der eigene Cholesterinspiegel bereits bis zur Unterlippe stand, beherrschte ihn dabei ein ebenso widerwärtiges wie unabweisbares Gefühl: Es schmeckt.
Jedem ist klar: Es kann so mit dem Volk nicht weitergehen. Es muss geführt und erzogen werden. Von hier aus deshalb ein klares Ja zu allen Verboten, ein Ja zu moralischen Appellen, ein Ja zum Aufruf des Freiburger Weihbischofs Uhl, sich gesünder zu ernähren, ein Ja zum »Veggie-Day« in der Versicherungskammer Bayern und den Kantinen von Puma in Herzogenaurach und Ho-Chi-Minh-Stadt, ja, ja, ja, es ist großartig, dass endlich auch Puma fleischfrei lebt! Ja, verbietet uns, was uns schadet, führt uns, erzieht uns und beachtet um Himmels willen unsere Renitenz, überlasst uns nicht unserem eigenen Appetit, vergesst nicht unsere List und unsere Fähigkeit, im Dunkel der Nacht Kühlschränke anzuschleichen. Schneidet uns die Wege ab, macht uns ein schlechtes Gewissen, nervt uns, helft uns! Wir schaffen es nicht allein.
Ja aus diesem Grunde auch zur Ernährungs-Initiative der Evangelischen Frauenarbeit Bremen!
Aber eine Bitte! Könnte man, liebe Evangelische Frauenarbeit Bremen, das Motto Eurer Aktion vielleicht nicht »Fairspeisen« nennen? Es gibt doch schon das Kochbuch Einfach fairspeisen von Franz Leutner - und dann auch die »Fairteiler-Tour« des Deutschen Gewerkschaftsbundes Hessen-Thüringen gegen Verteilungsungerechtigkeit in Deutschland. Die Kuh »Faironika« wirbt für faire Bezahlung der Milchbauern. Das Bündnis »Umfairteilen« warnt vor einer Spaltung der Gesellschaft. Der Bund der Deutschen Katholischen Jugend engagiert sich unter dem Titel »Fairbrechen - lebenslänglich für den fairen Handel« für gerechte Bezahlung im weltweiten Handel. Wir haben das »Fairkaufhaus« in Spandau und den »Fairkaufladen« in Petershausen, auch die Mode-Labels »Fairliebt« und »Fairgissmeinnicht«, vom »Ratgeber Fairkehr« in Germering und der Firma fairSCHENKEN in 8620 Wetzikon/Schweiz nicht zu reden. Und dann wäre da noch die Überschrift »Darauf ist echt Fairlass« zu einem Artikel in der tageszeitung über »Fairsicherungsläden«.
Es ist wirklich nicht so, dass ich keine Freude an Kalauern hätte, die Friseurbetriebe »Mata Haari« in Berlin-Friedenau und »mataHAARi« in Hamburg sowie »Kamm in« in Friedberg, Passau, Bergheim, Hamburg, Berlin und anderorts haben mir echt Superspaß gemacht, auch Schau hair, Hairreinspaziert, Com-Hair, Haar-em, Haar-Moni und Salon Kaiserschnitt finde ich total lustig.
Aber »Fairspeisen«, bitte, vielleicht habe ich zu oft Nitritpökelsalz geschluckt oder etwas zu viel Fleisch von nicht regionalen Lieferanten gekauft - auf jeden Fall: Ich habe das Gefühl, es ist nicht gut für meinen Blutdruck, wenn ich dieses Wort noch EIN EINZIGES MAL lese.
Illustration: Dirk Schmidt