Über Limburg wusste ich nicht viel, aber das hat sich geändert. Limburg an der Lahn ist ja, dem Landesentwicklungsplan Hessen zufolge, ein Mittelzentrum mit oberzentraler Teilfunktion, in dieser Hinsicht nur Bad Hersfeld, Friedberg und Rüsselsheim vergleichbar, schon Bad Homburg vor der Höhe spielt – zwar auch Mittelzentrum, jedoch der oberzentralen Teilfunktion entbehrend – eine Liga tiefer. 34 000 Einwohner, fruchtbare Böden, günstiges Klima, sehr gute Ruderer und Hockeyspieler. Wussten Sie, dass Imagina von Isenburg-Limburg, die Tochter Gerlachs des I., Gründer des Hauses Limburg und Erbauer des Wohnturms auf der Burg Limburg, dass also diese Imagina dann als Ehefrau Adolf von Nassaus römisch-deutsche Königin war, von 1292 bis 1298? Tja. Wird immer schnell vergessen, so was.
Jedenfalls weiß ich, was ich von Limburg weiß, nur, weil Franz-Peter Tebartz-van Elst dort den Bischofssitz hat renovieren lassen. Er hat die Stadt ins Gespräch gebracht, Limburg ist in aller Munde. Man muss mal das Positive sehen: Was nützt die Schönheit der komplett erhaltenen Limburger Altstadt, wenn niemand davon hört? Die Fachwerkpracht? Der spätromanische Georgsdom? Nur die Älteren (und auch von ihnen naturgemäß bloß wenige) kannten ihn noch von der Rückseite des Tausend-Mark-Scheines, der – nebenbei gesagt – 1964 in Verkehr kam, fünf Jahre nach der Geburt Tebartz-van Elsts. War dies ein früher, deutlicher, leider jedoch übersehener Hinweis, von wem auch immer, auf dessen Verhältnis zum Geld?
Bauen kostet, das wissen die Hamburger, die Stuttgarter, die Berliner, alle anderen auch. Und es findet oft hart am Rande des Wahnsinns und darüber hinaus statt, das weiß jeder, der schon mal auch nur ein Bad renoviert hat. Bayerns Ludwig II. musste man 1886 entmündigen, damit er endlich aufhörte mit dem ruinösen Errichten von Schlössern. Heute aber sind genau diese seltsamen und, vordergründig gesehen, vollständig nutzlosen Gebäude ein Tourismusfaktor ersten Ranges. Der bayerische Staat (von den hiesigen Andenkenhändlern, Wirten und Hoteliers nicht zu reden) nimmt Jahr für Jahr sehr viele Millionen ein, weil die Leute Herrenchiemsee,
Neuschwanstein, Linderhof sehen wollen; im Grunde war ihr Bau eine weitsichtige Investition. Und der Limburger Bischofssitz wird von Architekturkritikern einhellig gelobt – was man von Neuschwanstein nie behaupten konnte! Werden in hundert Jahren die Fremdenführer vor dem Limburger Adventskranz-Halter stehen und amüsierten Touristen erzählen, dieses Ding habe mal hunderttausend Euro gekostet?
Ja, ja, es ist übertrieben, so was. Und unangemessen. Und erstaunlich: dass nämlich die Kirche so viel Geld überhaupt hat! Andererseits kann man den Petersdom und die Sixtinische Kapelle auch übertrieben finden. Und mitten in Chartres, das nur 5000 Einwohner mehr hat als Limburg, steht eine ausgesprochen übertriebene, aber vollständig herrliche gotische Kathedrale. Mit der kann man nun freilich den Limburger Bischofssitz nicht vergleichen, bei aller Liebe. Andererseits: Vielleicht hat Franz-Peter Tebartz-van Elst (der Name hat auch was Übertriebenes) das alles nur als Anfang gesehen? Als Fingerübung?
Limburg scheint weitere Ambitionen zu haben, die über jene anderer Mittelzentren mit oberzentraler Teilfunktion hinausweisen, man denke an den Bahnhof Limburg-Süd, den einzigen Bahnhof Deutschlands, an dem nur ICE-Züge halten. »Operation Größenwahn« nannte Die Zeit das Projekt. Man kann von dort nun in neun Minuten nach Montabaur fahren, falls man das möchte! Und nahe Limburg wird gerade eine neue Autobahnbrücke über die Lahn gebaut, die alte könnte man dann abreißen, aber es gibt Planungen, sie zu Wohnungen umzubauen, wirklich, wie Bienenstöcke würden Wohntürme an den alten Brückenpfeilern hängen, irres Projekt, sicher nicht billig, aber was soll’s? Wir werden Limburg mal im Auge behalten.
Illustration: Dirk Schmidt