Was ich nicht mag: in einem Hotel lange schlafen zu können. Das ist langweilig. Man fühlt sich vom Leben abgeschnitten. Leben ist: Geräusch. Stille empfinde ich als beängstigend. Stille macht mich fertig. Ich will keine Stille.Daheim habe ich Kinder, die mich früh wecken. Falls sie einmal länger schlafen, sind es dankenswerterweise die Müllmänner, die vor Tau und Tag den Abfallcontainer aus seinem Hinterhof-Eckchen reißen und fortrollen, als versuchten sie damit das Haus zum Einsturz zu bringen. Und falls die Müllmänner mal spät dran sein sollten, findet sich immer ein Autofahrer, der sich auf seine Hupe legt, um mich aus dem Bett zu tröten.Oh, ich liebe es! Krach!Von einem guten Hotel darf ich erwarten, dass es auch in dieser Hinsicht versucht, mir mein Zimmer so heimisch wie möglich zu machen. Möglichst dünne Wände sollten eine Selbstverständlichkeit sein, auch lege ich Wert darauf, dass ab fünf Uhr morgens das Personal sich auf dem Flur Anweisungen zuschreit. Einigen gut geführten Häusern ist es in letzter Zeit immer wieder gelungen, in meinem Nachbarraum lautstark masturbierende Handelsvertreter unterzubringen – dafür ein Extra-Dankeschön an dieser Stelle. Einmal (das war wirklich etwas Besonderes) fand sich um halb sieben in meinem Gemach ein Angestellter ein, der mich, obwohl ich definitiv nicht abreisen wollte, schon gar nicht so früh – der mich also anschrie: »Wo sind Ihre Koffer?« Man sagte mir hinterher, der Sonderservice für fehlgeleitete Weckrufe sei defekt gewesen, so habe man sich was einfallen lassen müssen.In besseren innerstädtischen Häusern ist mir in den letzten Jahren ein Trend zum Dauerlärm aufgefallen. Sehr ausgefallen in diesem Punkt ein Haus in Dresden, in dem man mir freundlicherweise ein begehrtes Zimmer direkt neben dem Fahrstuhl überließ. Der besondere Reiz: Ich benötigte mehrere Stunden, um herauszufinden, woher das in unregelmäßigen Abständen auftretende schubbernde Geräusch kam, das mich wach hielt. Als ich es kapierte, befand ich mich bereits in jener Müdigkeitstrance, die ich jedem Alkoholrausch vorziehe.In Berlin legten mir Gewährsleute Ende vergangenen Jahres die Gegend um den Bahnhof Zoo ans Herz, wo die Bahn AG allen umliegenden Hotels als kostenlose Dienstleistung für Lärmfreunde einen in Minutenabständen auftretenden, martinshornhaften Dauerlärm zur Verfügung stellte, der etwas mit einer Baustelle am Bahnhof zu tun hatte, in Wahrheit aber natürlich möglichst vielen Hotelgästen den Schlaf verunmöglichen sollte. Ich traf etliche, die eine Nacht lang geweint hatten und sich auf tief emotionale Art gereinigt fühlten. Für solche therapeutischen Effekte benötigen andere Leute jahrelange Psychoanalysen. Man erwägt jetzt, die entsprechende Baustelle zur Dauereinrichtung zu machen, was es den benachbarten Herbergen ermöglichen würde, bei den für die Hotelklassifizierung zuständigen Stellen einen Extra-Stern als »Lärm-Herberge des Jahres« zu beantragen.Nicht verraten hingegen werde ich den Standort jenes Hotels, in dem man mich zunächst in tiefen Schlaf fallen ließ, um dann alle Gäste durch per Fernsehapparat ausgelösten Feueralarm nicht nur aus dem Schlaf zu schrecken, sondern auch noch in die Hotelhalle zu befehlen. Es handelte sich um einen Probealarm. Aber dem Liebhaber nächtlicher Ruhestörungen war es ein exquisites Vergnügen, vom Nachtprogramm des Senders RTL II aufgeschreckt zu werden. Sehr schön auch, was kürzlich ein Viersternehaus in Chemnitz bot: ab sechs Uhr in Viertelstunden-Abständen die Zeitansage per Kirchengeläut, um sieben ein zehnminütiges Dauerläuten, das mir das Gefühl verschaffte, in einem Glockenturm zu schlafen bzw. eben: nicht zu schlafen. Ich dankte dem Herrn und seiner Kirche für dieses Erweckungserlebnis.Einmal wurde ich in einem thüringischen Dorf vom Todesschrei eines Hausschweins geweckt, das man unmittelbar unter meinem Fenster schlachtete. Das war unwiederholbar, andererseits weiß ich von Überlegungen erster Häuser, einen solchen Schrei als Klingelton für die hauseigenen Weckruf-Anlagen zu installieren.Fazit: Die deutsche Hotellerie schläft nicht, wenn es um die Zufriedenheit ihrer Kunden geht.