Warum andauernde Wut zu nichts führt

Früher war Wut etwas, das schnell wieder vorbei ging. Nun scheint sie bei vielen zum Dauerzustand zu werden – auch weil sie gezielt geschürt wird, um unserer Gesellschaft und Demokratie zu schaden.

Illustration: Dirk Schmidt

Früher war, wenn das Wort Wut fiel, der Begriff Anfall nicht weit. Heute kennen wir Wortkombinationen wie Wutbürger oder Wutwinter. Redete man vom Wutanfall, war klar: Das geht vorbei. Wut ist ein Gefühl, das an sich nicht von großer Dauer ist. Was dich anfällt, fällt auch wieder von dir ab. Seneca, der ein ganzes Werk Über die Wut geschrieben hat, zitierte darin »weise Männer« (gemeint waren Horaz oder der ältere Cato), die Wut als »kurze Geisteskrankheit« bezeichnet hätten. Auch hier sehen wir das Befristete der Wut. Man hält das nicht lange aus. Noch mal Seneca: »Ein abstoßender, schauderhafter Anblick ist das Gesicht solcher Leute, die sich selbst verunstalten und derart anschwellen, und man weiß nicht recht, was diese Störung eher ist: verdammenswürdig oder entstellend.« Das ist nicht tagelang durchzuhalten. Spätestens, wenn man wieder vor dem Spiegel steht, legt man es ab.