Sind das seine Augen?

Die größte Verletzung, die eine Frau erleiden kann: Sie will Kinder mit dem Mann den sie liebt. Doch der erklärt eines Tages, dass er jetzt ein Kind mit einer anderen Frau hat. Protokoll eines Traumas.

Paul (alle Namen von der Redaktion geändert) und ich waren das, was man ein Traumpaar nennt. Nie zuvor habe ich einen Menschen so sehr geliebt. Schon zwei Wochen, nachdem wir uns kennengelernt hatten, sind wir zusammengezogen. Wir wollten unser ganzes Leben miteinander verbringen, Kinder haben, einen Hund, ein Haus. So hatten wir uns das ausgemalt.

Aber Paul war Reiseveranstalter bei einem großen Unternehmen und viel unterwegs, um Hotels anzusehen. Damit wir nicht so viel getrennt waren, habe ich meinen Job als Ernährungsberaterin aufgegeben und ihn meistens begleitet. Ich war 28, ich war glücklich, das mit den Kindern hatte Zeit, bis wir ein ruhigeres Leben führten, dachte ich. Und so verschoben wir den Kinderwunsch Jahr um Jahr. Nach sechs Jahren war die Liebe immer noch riesengroß, aber das ewige Reisen nicht mehr so spannend. Und ich wäre sehr gern schwanger geworden. Doch der Standardsatz meines Freundes lautete: »Ach, lass uns lieber noch ein bisschen damit warten, Schatz.« Wenn ich das meinen Freundinnen erzählte, kannten sie nur einen Ratschlag: Leg es einfach drauf an, schwanger zu werden, und weihe ihn bloß nicht ein, sonst wird das nie was. Um Gottes willen, ihn reinlegen, auf diese Idee kam ich gar nicht. Er schon.

Irgendwann um diese Zeit, ich glaube, es war kurz vor meinem 35. Geburtstag, fiel mir auf, dass mein Freund besonders anhänglich wurde und viel aufmerksamer war als sonst. Heute weiß ich, dass er acht Wochen mit sich und seinem schlechten Gewissen gekämpft hat, bis er stotternd und schlotternd gestand: »Du bist immer noch die Frau meines Lebens, ich will dich heiraten, aber es ist etwas Schlimmes passiert: Ich hatte auf einer Reise Sex mit einer Kollegin, und die bekommt jetzt ein Kind von mir. Und ich will gar nichts von ihr, glaub mir, und ich bereue alles.«

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So fühlt sich sterben an, da war ich mir sicher. Mehr noch, so fühlt sich sterben an, nachdem einem jemand ein Messer in den Bauch gerammt hat: Eine andere, die er nicht liebt, soll das Kind bekommen, das ich gern hätte? Weil sie nicht verhütet und es darauf angelegt hat, schwanger zu werden? Während ich Skrupel habe bei dem Gedanken, ihn vor vollendete Tatsachen zu stellen? Wie krank ist das denn?
Ich habe schreiend meine Koffer gepackt und bin zu meiner Mutter.
Was auffällt: Fast alle Frauen kennen solche Geschichten über Frauen, die lange Beziehungen hatten, sich Kinder wünschten, ihrem Freund oder Mann zuliebe noch ein bisschen warteten und noch ein bisschen, und irgendwann starrten sie fassungslos auf das Kind, das er mit einer anderen schon nach ein paar Nächten oder Wochen gezeugt hat. Und das für eine verdammt tolle Entscheidung hielt.

Merkwürdig nur: Das Zeitungsarchiv hat keine Unterlagen zu diesem Thema, es gibt anscheinend keine Studien, keine gesellschaftlichen Betrachtungen. Nur ein paar konkrete Fälle findet das Archiv: den von der bis heute kinderlosen Jennifer Aniston zum Beispiel, die mit ansehen muss, wie ihr Ex-Mann Brad Pitt es nun zu sechs Kindern gebracht hat.

(Lesen Sie auf der nächsten Seite: "In einem meiner Eifersuchtsanfälle bin ich heimlich zu dem Reisebüro gefahren, in dem die andere gearbeitet hat, und habe durch die Fensterscheibe geschaut; an ihrem dicken Bauch habe ich sie sofort erkannt.")

Oder den von Franz Beckenbauer, der bei einer Weihnachtsfeier Heidi schwängerte, während seine Frau Sybille inzwischen über das Alter hinaus war, in dem sie selbst hätte schwanger werden können. Vorbei. Einen halbwegs prominenten Neuzugang kann diese Gruppe nun verzeichnen: Monica Ivancan, die Ex von Oliver Pocher, die öffentlich sagte, wie sehr sie sich ein Kind wünsche und zwar mit Oliver Pocher; der aber zeugte das lieber mit Sandy Meyer-Wölden.

Ich weiß, es ist kaum zu erklären, aber Paul und ich haben uns wieder zusammengerauft – fürs Erste. Er liebe diese Frau nicht, sagte er, und als Beweis seiner Liebe wollte er mich heiraten und mit mir ein Kind haben, er nannte es ein »richtiges Kind«. Ich aber wurde einfach nicht schwanger. In einem meiner Eifersuchtsanfälle bin ich heimlich zu dem Reisebüro gefahren, in dem die andere gearbeitet hat, und habe durch die Fensterscheibe geschaut; an ihrem dicken Bauch habe ich sie sofort erkannt. Würdelos und demütigend war das. Warum war sie so viel schneller als ich? Warum habe ich gewartet?

Kurz darauf kam die SMS: Das Kind sei da. Wortreich erklärte mir Paul, dass er ins Krankenhaus fahren und wenigstens einen Blumenstrauß vorbeibringen müsse. Aber das habe alles nichts zu bedeuten.

Ich habe in den Wochen und Monaten, in denen die andere schwanger war, nur noch Kette geraucht, bin auf 55 Kilo runter, die Situation war kaum zu ertragen. Ständig dieses Misstrauen, wenn er wegging. Das war kein Leben mehr, so was zerstört die größte Liebe. Wir dachten, zwei Wohnungen seien die Lösung. Wir zogen auseinander, blieben trotzdem zusammen, zwei Jahre noch. Zwei Jahre, in denen ich verzweifelt alles anstellte, um schwanger zu werden. Sogar mit künstlicher Befruchtung haben wir es versucht. Es hat nicht geklappt. Geheiratet haben wir natürlich auch nicht. Ich war nun schon 38.

Als sein Kind etwa zwei war, sagte Paul, in dem Alter bekomme es nun schon viel mit, und deshalb möchte er mehr Verantwortung übernehmen und sich um das Kind kümmern: »Du weißt, es geht mir nicht um die Frau, sondern um das Kind.« Und ich schrie ihn an: »Dann könnt ihr ja gleich ein zweites machen, hat ja beim ersten Mal so gut geklappt.«

Genauso ist es gekommen. Nach dem Besuch bei seinem Kind hat er sich nicht mehr gemeldet. Und meine schlimmsten Befürchtungen wurden wahr. Unter unseren gemeinsamen Freunden hatte es sich schnell herumgesprochen, dass die andere wieder schwanger war und dass die beiden nun zusammenziehen wollten. Ich habe geheult, geschrien, mich kaputt gefühlt. Ersetzt. Ausgesondert. Wertlos. Alt. Wer glaubt, der Schmerz sei unerträglich, wenn einem der liebste Mensch auf Erden gesteht, dass er mit einer anderen ein Kind bekommt, der hat keine Ahnung von der Heftigkeit der Schmerzen, wenn der Liebste zum zweiten Mal ein Kind mit einer anderen bekommt. Es gibt keine Worte dafür.

Von dem, den man liebt, verlassen zu werden, ist schlimm. Schlimmer ist es, wegen einer anderen verlassen zu werden. Am schlimmsten ist es, wenn man wegen einer anderen verlassen wird, die ein Kind kriegt. Und selbst dieser Superlativ lässt sich noch steigern: wenn die andere ein Kind kriegt, das man selbst gern gehabt hätte. Nun aber geht man auf die vierzig zu und weiß ziemlich sicher: Ein Kind bekomme ich nicht mehr, jetzt habe ich ja nicht mal mehr einen Mann dazu. Das war es dann. Anette Kersting, Professorin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Universitätsklinikum Leipzig, sagt: »Dieser doppelte Schmerz – die Trennung vom Partner und der Verlust der Perspektive, ein Kind bekommen zu können – hat viele Ähnlichkeiten mit dem Schmerz, wenn ein geliebter Mensch stirbt.«

Vielleicht hätte diese Geschichte vor dreißig Jahren so noch nicht geschrieben werden können: weil Rollenmodelle damals noch klarer funktionierten und Paare nicht jahrelang gewartet haben, bis sie Kinder wollten. Seit viele Frauen finanziell unabhängig sind, schreckt sie der Gedanke nicht mehr, sich vielleicht erst mit Mitte dreißig von einem Mann zu trennen. Peter Kaiser, Professor für Psychologie an der Uni Vechta, sagt: »Von den Paaren um die dreißig weiß man, dass ein Viertel von ihnen sich noch nicht entschieden hat, ob sie mit ihrem momentanen Partner zusammenbleiben wollen.

Sie sind also in einer Warteposition, von der aus sie nach einem neuen Partner Ausschau halten.« Kaiser sagt auch, dass zwei Menschen, die ein Paar sind, oft intuitiv wüssten, ob der andere Kinder mit einem wolle. Aber oft verlassen sie sich nicht auf ihr Gefühl, sondern versuchen, den anderen eben zu überreden.
Der Diplompsychologe Tewes Wischmann vom Universitätsklinikum Heidelberg meint: »Frauen wird heute suggeriert, sie könnten sich ewig Zeit lassen. Viele denken, mit medizinischer Hilfe kann man auch noch mit über vierzig zu einem Kind kommen. Das ist aber in den meisten Fällen ein Trugbild. Eine fatale Entwicklung.«

(Lesen Sie auf der nächsten Seite: "Erzählen mir Bekannte, dass sich das Paar mittlerweile schlecht versteht und sie schrecklich aussieht, freue ich mich.")

Schiebt die Frau dem Mann zuliebe den Kinderwunsch immer weiter hinaus, geht damit noch eine andere Gefahr einher: Die Frau rutscht in die Rolle der Befürworterin, der Mann wird zum Neinsager. Diese Rollen verfestigen sich. Mit einer neuen Partnerin fällt es dem Mann dann plötzlich leicht, Ja zum Kind zu sagen. Denn »ihm ist die Entscheidung nun abgenommen, mit wem er zusammenbleibt«, sagt Peter Kaiser von der Uni Vechta, »und zur Rettung seines Selbstbildes sagt er dann: Ich habe es genauso gewollt«.

Ich habe Briefe an Paul geschrieben und sie vergraben. Ich konnte keine Schwangeren mehr sehen, ich konnte nicht mal aufgeschnappte Satzfetzen ertragen wie: »Ach, ich werde ja immer so schnell schwanger!« Ich konnte keine Babys sehen. Ich war neidisch, ich war verbittert. Alles habe ich auf mich und meine Situation bezogen, sogar wenn mich ein Autofahrer angehupt hat: Ja, klar, dachte ich, du hupst, weil die andere schwanger geworden ist und nicht ich! Meine größte Angst aber ist bis heute, dass ich Paul mit einem Kind an der einen Hand und dem Kinderwagen in der anderen Hand um die Ecke biegen sehe.

Das erste Jahr war unerträglich. Das zweite Jahr war schlimm. Fast kein Abend verging, an dem ich nicht geweint habe. Jetzt, drei Jahre später, geht es langsam aufwärts. Ich bin umgezogen, ich habe meinen Freundeskreis komplett ausgetauscht. Und doch kommen immer noch ohne jede Ankündigung Nächte, in denen ich aufwache und sterben möchte. Die Wut ist dann besonders groß, wenn mir einfällt, dass die andere mein Leben führt: Wieso darf sie das, wieso ich nicht? Bin ich selbst schuld, weil ich Paul durch mein ständiges Reden über ein Leben mit Kindern gut vorbereitet habe auf das Leben, wie er es jetzt führt? Erst seit ich mich tröste, dass das Leben dieser anderen Frau nur ein Abklatsch dessen ist, was Paul und ich miteinander geführt hätten, geht es mir besser.

Immer noch bin ich ganz begierig auf schlechte Nachrichten von der anderen. Erzählen mir Bekannte, dass sich das Paar mittlerweile schlecht versteht und sie schrecklich aussieht, freue ich mich. Jahrelang kannte ich ihre Handynummer auswendig, hatte ich sie eingespeichert, gelöscht, wieder gespeichert. Und jahrelang kannte ich auch die Geburtsdaten der Kinder.

Wie wird eine Frau mit so einer Katastrophe fertig? Anette Kersting, Professorin für Psychosomatische Medizin, sagt: »Es gibt kein anderes Mittel, als den Schmerz auszuhalten und ihn nicht wegzuschieben. Die, die das nicht bewältigen können, sind in Gefahr, darin stecken zu bleiben.« Sie hat Untersuchungen mit Frauen gemacht, die ein Kind verloren haben – dieser Schmerz ähnelt jenem der Frauen, die ein Kind wollten, aber keines bekamen. Oft hält er jahrelang und beeinträchtigt die Betroffenen in ihren Beziehungen und in ihrem Alltagsleben erheblich. In solchen Fällen spricht man von einem pathologischen Trauerfall.

»Wenn es aber angemessen läuft, wird der Schmerz über die Jahre hinweg weniger«, sagt sie. Tewes Wischmann, der Diplompsychologe, rät zur Trauerarbeit. »Man kann so einer Frau nur wünschen, dass sie gut eingebunden ist in ihrem sozialen Umfeld und sich nicht isoliert. Sonst entwickelt sich ganz schnell eine depressive Reaktion.«

Leider hasse ich auch die Kinder. Hilft nichts, zu lügen. Ich habe mir immer versucht einzureden, dass die Kinder nichts dafürkönnen. Können sie auch nicht. Aber für meine Gefühle kann ich auch nichts. Paul und ich haben keinen Kontakt mehr. Das heißt, ein Jahr nach der Trennung gab es noch mal ein komisches, sehr distanziertes Gespräch. Seitdem haben wir uns nicht mehr gesehen. Manchmal überlege ich mir, ob er noch an mich denkt. Und sie – ob sie auch manchmal an mich denkt?

Das Ganze hat nun viele Jahre gedauert und große Schmerzen bereitet. Aber endlich habe ich mich vor einigen Monaten wieder verliebt. Er ist Staatsanwalt, hat mir das Segeln beigebracht, ist liebevoll und großzügig: Ich bin sehr glücklich mit ihm. Bald werden wir zusammenziehen. Trotzdem – die Sache mit dem Kinderwunsch ist gegessen. Ich bin jetzt über vierzig. Das wird nichts mehr.

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Susanne Schneider kennt allein sieben Frauen, denen es so erging
wie der Frau in dieser Geschichte. Der extremste Fall: ein Mann, dessen Freundin jahrelang ein Kind wollte, verlässt sie für eine andere, die schon drei eigene Kinder hat und von ihm ganz schnell zum vierten Mal schwanger wird. Leider wollte die Verlassene ihren Fall nicht ausführlich erzählen, zu schmerzhaft sind die Erinnerungen noch.