Wie geht es der deutschen Geisel Sinan Krause im Irak?

Offene Fragen aus dem Jahr 2007.

»Aus Rücksicht auf das Leben und die Gesundheit der Geisel nehmen wir keinerlei Stellung«, heißt es stereotyp im Auswärtigen Amt in Berlin, aber auch: »Der Krisenstab arbeitet unermüdlich weiter.« Das bedeutet: Im Außenministerium geht man davon aus, dass Sinan Krause noch lebt. Körperlich dürfte Sinan Krause, 21, in halbwegs guter Verfassung sein. Es ist unwahrscheinlich, dass die Entführer ihn foltern – sie brauchen ihn ja noch.

Hannelore Krause, seine im Juli freigelassene Mutter, sagt, sie seien nicht geschlagen worden und auch zu essen habe es gegeben. Der Sohn weiß, dass es lebensgefährlich wäre, sich gegen seine Entführer aufzulehnen. »Es wäre fatal, sich mit diesen Leuten auf einen Konflikt einzulassen«, sagt ein deutscher Sicherheitsbeamter, der immer wieder mit dem Fall zu tun hat. Denn es handele sich ganz eindeutig um radikal-islamistische, ja terroristische Täter. Keine dahergelaufenen Geiselnehmer, die nur auf Geld aus sind. Sinan Krauses Entführer forderten den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan. Die Geiselnehmer drohten damit, ihren Sohn »abzuschlachten«, wenn die Bundesrepublik nicht abziehe, sagte seine Mutter im Interview. Dass sie den Abzug nicht erreichen, ist den Entführern mittlerweile klar geworden. Nun geht es darum, ihre Kriegskasse mit Lösegeld aufzufüllen. Auch deswegen zog Hannelore Krause sich aus der Öffentlichkeit zurück. Je mehr Aufsehen sie erregt, desto höher steigt der Preis für ihren Sohn. Desto gefährlicher wird es für ihn.

Psychisch befindet sich Sinan Krause in der Hölle. Zwar kann er sich mit den Geiselnehmern verständigen, er ist in Bagdad geboren und aufgewachsen, er spricht Arabisch, Deutsch und Englisch und kennt die Verhältnisse. Aber meist werden die Geiseln in winzigen Verschlägen eingepfercht, oft müssen sie in enge Höhlen kriechen, wo sie nicht einmal aufrecht sitzen können. Dazu kommt der zähe Strom immer gleicher Tage. Aufwachen, Warten, ein Brei, Warten, ein Brot, Warten, ein Glas Wasser, Warten, auf den Eimer, Warten. Die Sehnsucht nach denen, die einem nahe sind, nach dem Ehepartner. Eine nervliche, eine seelische Belastung, die Tag für Tag mehr zermürbt.

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Es sind schon viele Tage für die fast vergessene Geisel. Am 6. Februar 2007 wurden Krause und seine Mutter aus der Wohnung der Familie in Bagdad entführt. Alle deutschen Geiseln im Irak vor ihm sind freigekommen: die Archäologin Osthoff, die Ingenieure Bräunlich und Nitzschke, und, nach 155 Tagen in Geiselhaft, auch Hannelore Krause. Nur Sinan Krause wartet noch. Längst ist die ganze Familie Krause von Bagdad nach Deutschland geflüchtet, Hannelore Krause stammt aus einem kleinen Ort nahe Berlin. Im Irak wären die Krauses nur Zielscheiben. Nun sind sie Flüchtlinge. Hannelore Krause hat den Deutschen kaum ein Wort darüber gesagt, wer sie gefangen hielt und wo. Sie will ihren Sohn nicht gefährden, will nicht als Verräterin gelten, an der man sich rächen kann – durch den Tod des Sohnes.

Das deutsche Außenministerium hat immer mal wieder Kontakt zu den Entführern, spärlichen, uneindeutigen. Was daraus wird, ist nicht vorauszusehen. »Die haben Zeit«, sagt ein Verantwortlicher, »für die ist ein halbes Jahr gar nichts.«