»Niemand ekelt sich vor sich selbst«

Ekel ist eine der stärksten menschlichen Emotionen. Warum? Die Sozialwissenschaftlerin Angelika Hagen im Interview über Sex, Nasenpopel und die fragwürdige Abscheu vor alten Menschen.

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SZ-Magazin: Frau Hagen, manche Menschen essen gern Teile von sich selbst: Sie kratzen Schorf ab und stecken ihn in den Mund, einige essen ihre Nasenpopel, kauen Fingernägel, beißen Häutchen am Finger ab, lutschen an ihren Haaren. Warum tun sie das?
Bei Kindern ist dieses Verhalten leicht zu erklären: Sie begreifen sehr früh die Welt, indem sie fast alles in den Mund stecken, erst die Finger, später den Beißring, manche probieren auch ihren eigenen Kot.

Und Erwachsene?
Da ist die Bandbreite größer. Vereinfacht kann man sagen: Das Bedürfnis, etwas von sich selbst in den Mund zu stecken, bleibt irgendwie erhalten. Es kann aus Langeweile sein, Gewohnheit, Nervosität, es kann vielleicht manchmal Geborgenheit vermitteln und etwas Tröstendes haben. Nägel kauen oder auf den Lippen herumbeißen dient dagegen meistens dem Abbau von Spannungen.