»Angehörige sind oft überrascht, weil Wettsucht sich gut verheimlichen lässt«

Hunderttausende Menschen in Deutschland sind süchtig nach Sportwetten. Wie rutschen sie da rein? Und was hilft wieder raus? Psychiater Norbert Scherbaum über extreme Schulden, die Rolle von Oliver Kahn – und die Frage, wie gefährlich eine Familienwettrunde zur EM werden kann.

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SZ-Magazin: Ob Bundesliga oder Europameisterschaft: Wer Fußball schaut, kommt an Sportwetten nicht vorbei. Oliver Kahn war lange Markenbotschafter für Tipico, die Moderatorin Laura Wontorra wirbt für NEO.bet. Wird die Suchtgefahr durch so bekannte Gesichter verharmlost?
Norbert Scherbaum:
Sportgrößen wie Oliver Kahn haben eine Vorbildfunktion, sind öffentliche Figuren. Und wenn diese für Sportwetten Werbung machen, wird es insbesondere junge Menschen geben, für die Oliver Kahn ein Idol ist und die das als Anreiz nehmen, mit Sportwetten anzufangen. Das ist hoch problematisch.

Mittlerweile dürfen aktive Sportler und Sportlerinnen sowie Funktionäre, wie Oliver Kahn es war, nicht mehr für Sportwetten werben. Auf Bannern, Banden und Trikots ist die Werbung aber weiter erlaubt.
Das ist analog zur Werbung für Alkohol oder für Zigaretten zu betrachten. Ein wichtiger Schritt im Umgang mit Abhängigkeitserkrankungen ist die Verhältnisprävention, also der Ansatz, die Umwelt so zu gestalten, dass das Auftreten von entsprechenden Problemen und Erkrankungen, so gut es geht, verhindert wird. Dazu gehört dann auch, dass die Werbung möglichst weit heruntergefahren wird. Was Sportwetten angeht, wird dem aktuell nicht entsprochen.