Voriges Jahr traf ich die Kabarettistin Lisa Eckhart für ein Interview in Leipzig. Sie sah aus, als wäre sie aus einem Otto-Dix-Gemälde heraus in die Wirklichkeit geklettert: das Gesicht spitz, die Gliedmaßen lang und dürr, dazu eine hautenge Lederhose und ein schwarzes Oberteil aus PVC-Platten. Ein aufsehenerregender Auftritt, raffiniert inszeniert, in der Hand hielt sie eine Flasche Rotkäppchen-Sekt, halbtrocken, für 3,99 Euro. »Zum Anstoßen«, sagte sie und klang wie eine österreichische Gräfin aus dem 19. Jahrhundert. Mein erster Gedanke war: Hoppla, da stimmt was nicht, aber drei Sekunden später hatte ich es begriffen: Es stimmte alles, das Designeroutfit, der supergünstige Mainstream-Sekt aus Ostdeutschland, es war perfekt, ein Fall von reverse snobbery, wenig wäre peinlicher gewesen, als wenn sie eine Flasche Veuve Clicquot aus der Tasche gezogen hätte.
Der besondere Moment für 3,99 Euro
Ein bisschen zusammenstehen und anstoßen, aber jetzt nicht übermütig werden: Warum Rotkäppchen-Sekt ganz wunderbar zu Deutschland passt.