Unser Leben nach dem Tod

Am 26. April 2002 erschießt ein ehemaliger Schüler am Gutenberg-Gymnasium in Erfurt 16 Menschen. SZ-Redakteur Marcel Laskus sitzt während des Amoklaufs im Klassenzimmer, als Schüler der 6b. Zwanzig Jahre später kehrt er zurück, um zu verstehen: Wie hat diese Tat die Überlebenden geprägt, die Angehörigen – und ihn selbst?

Unser Autor in seiner ehemaligen Schule in Erfurt. Unter dem Dach hat des Gymnasiums wurde ein Raum der Stille eingerichtet, in dem sich die Schülerinnen und Schüler zurückziehen können.

Am 26. April 2002 sitze ich in Klassenzimmer 308. Wir, die 6b, haben Mathe. Bruchrechnen. Aber mein Kopf ist woanders. Ich denke daran, was ich am Wochenende mache. Freunde treffen, Computer spielen. Und dass ich auf meinen zwei Jahre alten Bruder aufpassen werde.

Es knallt dreimal. Dumpf und hart. Meine Tagträume sind vorbei. Ich drehe mich zu meinen Freunden um. Wir sagen, dass das bestimmt der dicke Vater eines Mitschülers war. Dass der zu Hause umgefallen ist. Wir lachen.