»Wir müssen Jungen anders erziehen«

Als Zwölfjährige wurde sie vergewaltigt. Nun hat die Autorin Roxane Gay einen Essayband über sexualisierte Gewalt herausgegeben. Wie trotzt man der Scham? Und warum ist es so wichtig, dass nicht nur Frauen, sondern vor allem Männer über sexualisierte Gewalt sprechen?

Roxane Gay, geboren 1974, hat den Gloria-Steinem-Lehrstuhl für Medien-, Kultur- und feministische Studien an der Rutgers University in New Jersey inne. Bekannt wurde sie mit ihrer Essaysammlung Bad Feminist. Roxane Gay ist unter anderem Gewinnerin des PEN Center USA Freedom to Write Award und schreibt eine Kolumne für die New York Times.

Foto: Reginald Cunningham

Roxane Gay gilt als eine der wichtigsten feministischen und gesellschaftspolitischen Stimmen unserer Zeit. In ihrem Buch Hunger  beschrieb sie 2017, wie sie im Alter von zwölf Jahren vergewaltigt wurde und danach aß und aß, um ihren Schmerz zu betäuben. Nun wurde die von ihr herausgegebene Anthologie Halb so schlimm auf Deutsch übersetzt. Das englische Original war bereits 2018 erschienen. In 29 Essays erzählen Betroffene, was »Rape Culture« für sie bedeutet. Denn »eine Kultur der Vergewaltigung« herrscht weithin, immer noch, wieder zunehmend: In den USA ist erneut Donald Trump an der Macht, ein verurteilter Missbrauchstäter, der sich damit brüstete, Frauen einfach so »an die Muschi greifen« zu können. In Frankreich wurde kürzlich Dominique Pelicot für schuldig befunden, seine Ehefrau Gisèle über Jahre hinweg betäubt und anderen Männern zur Vergewaltigung angeboten zu haben. Fünfzig weitere Angeklagte wurden mit ihm verurteilt. Nach der Bundestagswahl werden die zwei stärksten Parteien im Parlament voraussichtlich die CDU und die AfD seien. Beide Parteien stehen für ein heterosexistisches Familienbild. Dabei wäre für Roxane Gay ein erster Schritt in eine Gesellschaft ohne sexualisierte Gewalt, genau dieses Bild aufzubrechen.