SZ-Magazin: Herr Roehler, Sie sind Regisseur, Ihre Frau Modedesignerin. Beides Berufe, in denen man viel unterwegs ist. Ist es sehr schwer, treu zu sein?
Oskar Roehler: Die Frage ist immer: Was ist Treue? Als ich in den Achtzigern in New York lebte, hatten viele Schwule einen Lebenspartner und haben einen Zettel auf dem Küchentisch hinterlassen mit: »Bin kurz zum Vögeln gegangen und in einer halben Stunde wieder da. Wirf schon mal die Spaghetti in den Topf.«
Sie halten davon nichts?
Roehler: Ich finde, die wesentlichen Punkte, wie Liebe oder Zusammenleben, sollten auf eine Person konzentriert sein, sonst hält die Beziehung nicht. Du brauchst so etwas wie einen »One and only«. Für mich ist mein Partner Mittelpunkt meines Universums.
Das klingt ja wie im Film. Was mögen Sie denn am anderen besonders?
Alexandra Fischer-Roehler: Meinem Mann gelingt es erstaunlicherweise, selbst in absurden Situationen durch Humor oder ehrliche Panik erst mal alles ins Wanken zu bringen. Das kann manchmal schon sehr amüsant sein.
Roehler: Ich mag ihre besondere Art, mit mir umzugehen. Sie hat ein sanftes Gemüt, kann aber auch eine große Kraft entwickeln, wenn es darauf ankommt. Im letzten Jahr habe ich an meinem ersten Roman geschrieben, der mich extrem absorbiert und Kraft gekostet hat. In den Momenten der Überanstrengung hat es Alexandra immer wieder geschafft, mich runterzubringen.
Fischer-Roehler: Dein Leiden darf man eben auch nicht immer so ernst nehmen.
Roehler: Ja eben, wenn es dich nicht gäbe, würde ich manchmal wahrscheinlich völlig vereinsamen. Ich bin auch kein sonderlicher Menschenfreund
Fischer-Roehler: Du übertreibst. Du kannst der liebenswerteste Mensch sein, wenn wir in Gesellschaft sind.
Roehler: Ich könnte auf einer Bergspitze in einer Hütte leben, solange Alexandra da wäre.
Fischer-Roehler: Ich glaube, du redest dir die Misanthropie auch gern ein. Irgendwie passt das gerade zu deinem Selbstbild als Schriftsteller.
Roehler: In den letzten Monaten war ich jedenfalls nicht oft vor der Tür.
Klingt nach einer Härteprobe für Ihre Beziehung.
Fischer-Roehler: Na ja, nicht wirklich, aber die Zeit war schon manchmal schwierig und Oskar kurz vor der Verwahrlosung. Aber so ist es eben. Ich kenne diesen Sog ja selbst, da vergisst man vor lauter Arbeit oft die einfachsten Dinge, wie zu essen oder für sich zu sorgen.
Die Arbeit ist also in Ihrer Beziehung ein ständiges Thema?
Fischer-Roehler: Natürlich, und wenn Oskar mich kritisiert, hat er meistens recht.
Roehler: Wir haben ein ähnliches Temperament, auch in den Momenten, in denen andere Paare vielleicht dramatische Auseinandersetzungen hätten. So wurde ich auch noch nie von meiner Frau zu einer dieser prinzipiellen Diskussionen gezwungen, die ich sonst von Beziehungen kenne. Diese Gespräche, in denen man mir erläuterte, was ich alles an mir ändern soll.
Gibt es wirklich nichts, Frau Fischer-Roehler?
Fischer-Roehler: Na ja, manchmal würde ich mir schon wünschen, dass er nicht immer so übertrieben pünktlich sein muss. Zum Beispiel bei Filmpremieren, da fahren wir dann meistens getrennt, weil er mich nervös macht. Wenn man sich die Pressebilder der Veranstaltung im Nachhinein ansieht, ist Oskar oft der Erste nach dem Reinigungspersonal. Hört sich an, als ob es trotz aller Harmonie auch mal Streit gibt.
Fischer-Roehler: Oh, ja keine Sorge. Fragen Sie mal unsere Nachbarn. Aber so heftig, wie es dann knallt, so schnell ist der Stress auch wieder verflogen. Das sorgt dann für eine gewisse Grundreinigung.
Roehler: Es gibt eine Sache, bei der meine Frau keinen Spaß versteht: Sie ist 16 Jahre jünger als ich und gehört einer Generation an, die diplomatischer vorgeht als meine, die in den Siebzigern groß geworden ist: Sie möchte niemanden vor den Kopf stoßen. So etwas fällt mir, als altem Anarcho-Punk, schwerer. Aber ich reiße mich zusammen. Irgendwann, wenn ihr Frauen an der Macht seid, wird jeder falsche Ton sofort mit dem Tod bestraft.
Wie gehen Sie mit den Eigenheiten des anderen um?
Fischer-Roehler: Ich glaube, wir sind relativ kompatibel, sodass die Eigenheiten des anderen einen nie wirklich gestört haben. Aber es ist gut, dass beruflich jeder seine eigene Domäne hat. Das würde sonst bei unserer Dickköpfigkeit manchmal ziemlich eskalieren.
Roehler: Du musst den anderen einfach wirklich richtig gut leiden können. Ich kannte das vorher auch nicht, den anderen komplett zu akzeptieren. Das ist schon verrückt.
Alexandra Fischer-Roehler, 35, geboren in Regensburg, gründete 2004 zusammen mit
Johanna Kühl das Modelabel Kaviar Gauche in Berlin. Mit ihren Entwürfen gewann sie unter anderem den renommierten Visionary Award. Oskar Roehler, 52, Filmregisseur und Autor, wurde in Starnberg geboren und lebt seit vielen Jahren in Berlin. Zu seinen bekanntesten Filmen gehören Agnes und seine Brüder, Elementarteilchen und Jud Süß – Film ohne Gewissen. Die beiden sind seit 2000 ein Paar.
Foto: Alexandra Kinga-Fekete