So, noch mal schnell am Flügel einspielen, heute hat sie die Diagnose bekommen, Multiple Sklerose, nach Wochen der Angst, die Ungewissheit war beendet, die Krankheit benannt, es fühlte sich sogar befreiend an: Die nächsten Schritte konnten gegangen werden. Heutzutage, hat der Arzt gesagt, kann man damit leben, man muss nur die richtige Behandlung finden. Das Leben konnte weitergehen, ihr Leben, die Musik. Zum Glück spielte sie in München, also zu Hause, für ihren Konzertveranstalter war sie auf Instagram mit der Fotokamera dabei: in der Früh auf ihrem Fenstersims, Ristretto in der Hand, ein Blick auf die verschneite Stadt, danach das Einspielen am Flügel, ihr neues Programm würde sie spielen – ein Rezital, Titel Nightfall, Dämmerung, Zeit zwischen Tag und Nacht, zwischen Licht und Dunkelheit, zwischen Leben und Tod, Stücke von Debussy, Satie, Ravel, Chopin. Nach dem Einspielen raus aus dem warmen blauen Wollpulli, rein ins schwarze Kleid und barfuß in den ehrwürdigen Saal des Prinzregententheaters.
Die Noten und die Schatten
Starpianistin mit MS: Als 18-Jährige war Alice Sara Ott auf dem Weg in die Weltklasse, mit 25 verlor sie sich in Zweifeln, berappelte sich und bekam dann die niederschmetternde Diagnose Multiple Sklerose. Mit 33 ist sie nun zurück.