Die Schuldfrage

Ein kleiner Junge stirbt im November 2020 beim Kentern eines Bootes mit Geflüchteten. Der Vater ist der erste Asylsuchende, der in Europa für den Tod seines Kindes angeklagt wurde – weil er es mit auf die Überfahrt nahm. Wer ist wirklich verantwortlich für die Tragödie?

Ein Foto von Yaqub Heydari auf seinem Grabstein. Er ist auf einem Friedhof auf der Insel Samos beerdigt.

Sie hätten die Scheinwerferkegel eines Bootes gesehen, werden später jene aus­sagen, die überlebten. Und dass sie dachten, sie seien gerettet. Aber das Boot hätte wieder abgedreht.

In der Nacht vom 7. auf den 8. November 2020 ging bei der griechischen Küstenwache um 0:06 Uhr ein Notruf ein, so viel ist unstrittig. Ein Boot im See­gebiet nordöstlich der Insel Samos war gesich­tet worden. Auf diesem Boot: 25 Geflüchtete.

Aadil Heydari, der in Wirklichkeit anders heißt, verliert in jener Nacht seinen fünf­jährigen Sohn Yaqub, auch dessen Namen haben wir auf Heydaris Wunsch verfremdet. Seine Erlebnisse nach dem Unglück haben aus Heydari einen misstrauischen Menschen gemacht, der immer auf der Hut ist. Auch wenn er zu den Reporterinnen des SZ-Magazins nach und nach Vertrauen fasst, kann es passieren, dass er bei Fragen plötzlich abblockt, argwöhnisch wird.