Die Retter der Kokosnuss

Jeder Affe kann auf Palmen klettern und Nüsse pflücken. Aber die Makaken auf der thailändischen Insel Ko Samui sind richtige Profis - sie trainieren in einer eigenen Schule.

Wer die Affenschule auf Ko Samui besucht, tut gut daran, seinen Kindern vorher zu erklären, dass es dort mitnichten so putzig zugeht wie in der Häschenschule. Nein, hier kann man keine Wiese sehn, »wo die hohen Tannen stehn«, sondern ein riesiges gelb-braunes Feld, auf dem sich gelegentlich Brackwasser sammelt, ein paar Palmen zum Üben, schließlich sollen die Affen dort lernen, Kokosnüsse in rasender Geschwindigkeit zu pflücken, die sind die zweitgrößte Einnahmequelle der Insel. Die Schule selbst aber hat nur drei Schüler, drei Makak-Affen. Die Frage, ob es auch manchmal mehr seien, beantwortet der einzige Lehrer, zugleich der Gründer der »Monkey School Samui«, eher griesgrämig – oder nennt man es thailändische Zurückhaltung? »Nein, mehr geht nicht auf einmal.« Dann wendet er sich wieder seinem Kaffee und seinem Smartphone zu. So verbringt er die Zeit, bis es halb elf wird, da beginnt die erste der drei Vorstellungen des Tages, sein zweites finanzielles Standbein neben der Affenausbildung. Die Affen dösen derweil in ihren Käfigen.

Zur ersten Vorstellung kommen sechs Chinesen. Die zwei Elternpaare schauen bedröppelt, sie hatten wohl auch mehr erwartet, ihre Söhne aber juchzen bei den Saltos und Rechenaufgaben, die die drei Affen vorführen: Was vier plus fünf ist? Lässig deutet Mr. Kai Lek, der Begabteste der drei, auf die Tafel mit der Ziffer neun. Und die Kinder klatschen begeistert, als die Affen nach zwanzig Minuten auf die Palmen klettern und ein paar Kokosnüsse herunterwerfen. Bravo, Lektion gelernt. Eine winzige Schule – und dahinter eine riesige Industrie, die das Können der Tiere braucht.

Im Büro des Tourismuszentrums von Ko Samui hängt eine dreidimensionale Karte der Insel, und die erzählt einem schon fast alles. Was man sich ja kaum vorstellen kann: Ko Samui wird zwar jedes Jahr von mehr als 1,5 Millionen Touristen überrannt, die Strände sind ein Traum, aber das ganze Tohuwabohu spielt sich ausschließlich an der Küste und der fünfzig Kilometer langen Ringstraße ab, die um die Insel führt. Der große Rest sind: Palmen, etwa zwei Millionen. Immer noch ist die Kokosnussindustrie die zweitwichtigste Einnahmequelle der 40 000 Einwohner von Ko Samui, nur der Tourismus bringt seit etwa zwanzig Jahren noch mehr.

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»Ist es nicht ein Glück«?, sagt Saiphayom Somsuk, die Leiterin des Tourismuszentrums, »dass der Schöpfer uns zu den Palmen auch die Affen gab?« Wie viele Affen aber auf der Insel leben, das weiß sie nicht. Das weiß wohl keiner.

Nun kann man zwar allen Makak-Affen beibringen, Kokosnüsse zu pflücken, ihr Spiel- und ihr Nachahmetrieb prädestinieren sie dazu. Aber Affen, die in eine Schule gehen, können es besser: Die Untrainierten unterscheiden reife nicht von unreifen Nüssen und beißen mit den Zähnen die Fäden ab, an denen die Nüsse hängen – nach drei Jahren ist ihr Gebiss ruiniert. Affenschüler hingegen lernen in den sechs Monaten ihrer Ausbildung, die Nüsse abzudrehen statt abzureißen, lernen sogar mit den Hinterbeinen zu pflücken, Palmen stehen oft so eng, dass es gar nicht anders geht. Und den Menschen sind sie sowieso haushoch überlegen.

In Indien gibt es Schulen, auf denen Männern beigebracht wird, die 25 Meter hohen Bäume zu besteigen, auf den Philippinen stechen Arbeiter mit langstieligen Messern in die weit oben wachsenden Nüsse, damit sie herunterfallen. Trotzdem schaffen Menschen nur gut 200 am Tag. Untrainierte Affen das Doppelte, trainierte bis zu tausend. Und was kein Mensch je können wird: sich von Palmkrone zu Palmkrone zu schwingen. Und was kein Affe je begreifen wird: dass Menschen für Arbeit Lohn und freie Tage kriegen.

Gut tausend Affen, so die Schätzung, wurden bisher im Süden Thailands ausgebildet, die Monkey School Samui ist nicht die einzige. Doch auch bei ihr gilt: Plantagenbesitzer erkennen die Begabten unter ihren Affen, bringen sie mit eineinhalb Jahren in eine Schule und zahlen 140 Euro für sechs Monate Ausbildung. Manchmal gibt es Hochbegabte, Mr. Kai Lek von der Monkey School Samui ist so einer. Der kann inzwischen auch Nüsse in große Beutel schichten, die dann zubinden und auf
einen Wagen werfen. Also alles in allem lernen die Affen wohl mehr als die Hasen auf der Häschenschule.
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Affenschule
Monkey School Samui
Nähe Bophut
E-Mail:samuimonkey@gmail.com
Tel. 0066/77 25 61 58
Vorstellungen täglich um 10.30, 14 und 16 Uhr.

Schlafen

»Peace Resort«
großzügiges Hotel mit allen Annehmlichkeiten, Bungalows und wunderbarem Strand
178 Moo 1, Bophut Beach, Ko Samui, Suratthani 84320
Tel. 0066/ 77 42 53 57
je nach Jahreszeit und Auslastung: Mitte November kostet ein Superior-Bungalow 52 Euro für zwei Personen bei einer Hotelvergleichsseite wie zum Beispiel expedia.de

Illustration: Sebastian van Doninck