Es ist fünf Jahre her, dass ich Jeanine kennen gelernt habe. Als ich 2012 mit einem Freund durch Ruanda reiste, stand sie in einer Nähstube, trug ein hellblaues Tuch auf dem Kopf und ein Neugeborenes auf dem Rücken. Wir sahen uns an, wechselten ein paar Worte, tauschten Email-Adressen.
Eigentlich kennen wir uns nicht, es waren doch nur ein paar Blicke, trotzdem sind wir in Kontakt geblieben: Sie schreibt God bless you, I miss you, Merry Christmas. Ich schreibe zurück, ein paar Zeilen, dass ich gesund bin, dass der Sommer geht oder der Winter kommt, ein-, zweimal im Jahr schicke ich ihr ein bisschen Geld, fünfzig Euro, hundert Euro, darum gebeten hat sie noch nie.
Und jetzt bin ich also noch mal nach Ruanda gekommen, in das Städtchen Ruhengeri südlich der Virunga-Vulkane, um Jeanine kennen zu lernen, wirklich kennen zu lernen. Ich möchte wissen, was für ein Mensch sie ist, wie sie lebt, ob es ihr und ihrem Sohn gut geht, ja ob ich sie eigentlich mag und sympathisch und interessant finde. Vielleicht auch: Ob man diese kulturelle, sprachliche, soziale Grenze, die ja da ist, wenigstens für ein paar Tage überwinden kann.
Vier Tage lang versuche ich, ihren Alltag, ihren Rhythmus zu teilen und vielleicht nicht zu verstehen, aber eine Ahnung davon zu bekommen, wie sich ihr Leben anfühlt, ob sie zufrieden ist, wie ihre Träume aussehen.
Kann aus dem Treffen eine echte Freundschaft entstehen?