Es ist alles eine Frage des Blickwinkels. Von außen betrachtet, signalisiert eine Grenze Herrschaft, Macht, Misstrauen. Nach innen hingegen soll sie Sicherheit und Souveränität ausstrahlen. Kein Wunder, dass Grenzmauern, Zäune, Wachtürme zu den Lieblingsbauwerken von Populisten gehören, schließlich sind sie so etwas wie zementierte Symbole für die schützende Allmacht der Regenten. Trump hat seinen Wahlsieg 2016 großteils dem Versprechen zu verdanken, er werde eine Mauer zu Mexiko bauen und damit das Migrationsproblem ein für alle Mal lösen. Als Bestätigung seines
- 27. Februar 2020
- Aus Heft 9/2020
- Reise
Entgrenzt
- Fotos: Roger Eberhard
- Text : Alex Rühle
Krim
Die Halbinsel Krim am Schwarzen Meer ist ein strategisch sehr wichtiges Gebiet. Das hat dazu geführt, dass die Krim schon häufig umkämpft war. Sie stand bereits unter griechischer, römischer, osmanischer und russischer Herrschaft, im Zweiten Weltkrieg wurde sie von der deutschen Wehrmacht besetzt. Auf dem Foto oben erkennt man im Vordergrund noch einige Überreste der griechischen Kolonie Myrmekion, die im sechsten Jahrhundert vor Christus gegründet wurde. Dahinter ist die Krim-Brücke zu sehen. Sie ist mit 19 Kilometern die längste Brücke von Europa und verbindet die Krim mit dem russischen Festland. Die Krim-Brücke wurde im Zuge der russischen Annexion der Krim im Frühjahr 2014 errichtet, der jüngsten gewaltsamen Übernahme des Gebiets. Das macht die Krim-Brücke zu einem Symbol der international nicht anerkannten Grenzverschiebung zwischen Russland und der Ukraine.Hadrians Wall
Fast 300 Jahre lang bildete der Hadrianswall die nordwestliche Grenze des Römischen Reiches. Der Bau der Grenzbefestigung in der römischen Provinz Britannia wird auf den Zeitraum 120 bis 130 nach Christus datiert. Die Mauer verlief 117 Kilometer weit vom Flussufer des Tyne in der Nähe der Nordsee bis zum Solway Firth an der Irischen See. Man geht heute davon aus, dass der Hadrianswall weniger zur Abwehr feindlicher Armeen gebaut wurde; vielmehr diente er vor allem als eine Art polizeiliche Grenzstation, über die unter anderem die Zuwanderung irischer und schottischer Stämme aus dem Norden reguliert werden sollte. Der Hadrianswall gehört zum Weltkulturerbe.Modi’in illit
ist die größte israelische Siedlung im Westjordanland, etwa auf halber Strecke zwischen Tel Aviv und Jerusalem. Modi’in Illit hat mehr als 70 000 Einwohner, die meisten sind jüdisch-orthodox. Die israelischen Siedlungen im Westjordanland liegen außerhalb der »Grünen Linie«. Diese Linie wurde 1949 zwischen Israel und seinen Nachbarländern vereinbart und galt bis zum Sechstagekrieg 1967 als Landesgrenze Israels. Modi’in Illit liegt rund zwei Kilometer hinter der Linie. Auf dem Gebiet der Siedlung standen früher fünf palästinensische Dörfer, die zum Teil noch existieren. Auf dem Foto sieht man im Hintergrund einen der Kräne, mit denen Modi’in Illit weiter ausgebaut wird.Nobistor
Das Nobistor war eines von sechs Toren, das die Stadt Altona von Hamburg abgrenzte. Der Name geht wohl auf eine Taverne zurück, den »Nobiskrug«, der auf der Hamburger Seite des Grenzübergangs lag. Während des Dreißigjährigen Krieges wurde Altona Teil des dänischen Königreichs und war im 18. Jahrhundert zweitgrößte Stadt des dänischen Gesamtstaates. Durch das Groß-Hamburg-Gesetz gehörte Altona ab 1937 zur Stadt Hamburg. Vom Grenztor blieben nur die beiden Pfähle übrig, die in Gaslaternen umgewandelt wurden. Sie enthielten je einen Teil des lateinischen Spruches »Nobis bene, nemini male« – »Uns zum Nutzen, niemanden zum Schaden«. Die Pfähle wurden im Zweiten Weltkriegs stark beschädigt, nur einer konnte wieder aufgestellt werden.Blythe Ferry
ist eine Gedenkstätte für die erzwungene Umsiedlung der Cherokee, des größten indigenen Volkes der USA. Nach der Verabschiedung des »Indian Removal Act« 1830 wurden etwa 100 000 Angehörige der indigenen Bevölkerung vertrieben. Die Cherokee bewohnten einst eine Region, die sich über Gebiete in den heutigen Bundesstaaten Georgia, Tennessee, Virginia, Alabama, Kentucky sowie North und South Carolina erstreckte. Der Marsch der Cherokee in ihre zugewiesene Heimat in Oklahoma begann mit der Überquerung des Tennessee River bei Blythe Ferry. Der Fluss markierte die westliche Grenze ihrer ursprünglichen Heimat zur Zeit der Zwangsumsiedlung. Laut Schätzungen starben 4000 Cherokee in Internierungslagern, auf dem Marsch oder nach der Ankunft in Oklahoma.Furggsattel
Die Schweiz hat Grenzen zu fünf Ländern: Frankreich, Deutschland, Österreich, Italien und Liechtenstein. Mit einer Länge von 782 Kilometern ist die Grenze zu Italien die längste. Zum Großteil verläuft sie entlang der Alpen. Östlich der Dufourspitze erreicht sie eine Höhe von bis zu 4600 Metern, am Lago Maggiore sinkt sie auf 200 Meter. 40 Kilometer der Grenze verlaufen entlang von Gletschern. Durch die Erderwärmung sind die Gletscher in den vergangenen Jahren geschrumpft. Dadurch hat sich die Wasserscheide und somit auch die Grenze verschoben. Ein Beispiel ist der Theodulgletscher unter dem kleinen Matterhorn, wo die Wasserscheide um 150 Meter nach Südwesten gewandert ist. Die Bergstation des Skilifts Furggsattel im Skiresort Zermatt, die auf diesem Foto zu sehen ist, liegt jetzt nicht mehr in Italien, sondern in der Schweiz. Für die Schweizer Betreiber des Skilifts Furggsattel hat das einen Vorteil: Sie müssen für die Landnutzung keine Gebühren mehr an Italien zahlen.100. Meridian
Die Grenze zwischen Mexiko und den USA misst 3145 Kilometer und gilt als am häufigsten überquerte Landesgrenze der Welt. 350 Millionen Menschen passieren sie jährlich auf legale Weise. Den Grenzverlauf legten 1819 die USA und das Königreich Neuspanien fest, zu dem das heutige Mexiko gehörte. Ein Teil der damaligen Grenze verlief entlang des 100. Meridian West, zwischen dem Red River und dem Arkansas River, an der heutigen Grenze zwischen Oklahoma und Texas. Der Anschluss von Texas an die USA 1845 führte zum Mexikanisch-Amerikanischen Krieg. Er endete damit, dass die USA auch ein Gebiet zugesprochen bekamen, das das heutige Kalifornien, Arizona, Nevada und Utah, den Großteil von New Mexico sowie Teile von Wyoming und Colorado umfasste.Ben hai
Der Fluss Ben Hai entspringt in den Hochländern von Laos. Von dort fließt er entlang dem 17. Breitengrad und mündet ins Südchinesische Meer. Während der Teilung Vietnams markierte der Fluss die Grenze zwischen Nord- und Südvietnam. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatten die kommunistischen Truppen von Ho Chi Minh den Norden des Landes unter Kontrolle gebracht, 1954 wurde die Teilung Vietnams beschlossen. Mitte der 1960er-Jahre führten Aktivitäten von pro-kommunistischen Rebellen in Südvietnam und die darauf folgenden Interventionen der USA zum Vietnamkrieg. 1973 zogen die US-Truppen ab und kommunistische Gruppen nahmen Südvietnam ein. Im Folgejahr wurden Nord und Süd zur Sozialistischen Republik Vietnam vereinigt.Magersfontein
Vor der Ankunft der ersten Europäer im Gebiet des heutigen Südafrika war dies die Heimat halbnomadischer Völker. Im 19. Jahrhundert wurden in der Region Diamanten und Gold entdeckt. Daraufhin brach 1899 der Zweite Burenkrieg aus, in dem Großbritannien gegen Siedler meist niederländischer Abstammung kämpfte. Britische Soldaten versuchten, die Belagerung der Minen-Stadt Kimberley durch die Buren zu beenden, scheiterten aber im nahen Gebiet Magersfontein. Dort, entlang der damaligen Grenze zwischen der britischen Kapkolonie und dem Oranje-Freistaat, verschanzten sich die Buren und fügten der britischen Armee eine bittere Niederlage zu. Am Ende mussten sich die Burenrepubliken jedoch geschlagen geben und wurden in das Britische Empire eingegliedert.Covadonga
ist ein spanisches Dorf in der nordwestlichen Provinz Asturien – bekannt als Schauplatz der Schlacht von Covadonga im achten Jahrhundert. In dieser Schlacht soll Pelayo, der erste christliche König von Asturien, die muslimische Armee in der Schlucht von Covadonga abgewehrt haben. Das muslimische Kalifat wurde im Norden des heutigen Spanien durch Asturien begrenzt. Mit der Schlacht von Covadonga begann die Reconquista: eine Serie von Feldzügen, angeführt von christlichen Königreichen, mit dem Ziel, die muslimische Vorherrschaft auf der Iberischen Halbinsel zu beenden. Dort, wo das Kalifat zum ersten Mal zurückgedrängt wurde, errichtete man einen Schrein zu Ehren der Jungfrau Maria, die Pelayo zum Sieg verholfen haben soll.24. Breitengrad Süd
Ein Vertrag von 1866 legte den 24. Breitengrad Süd, vom Pazifik bis zu den Anden, als Grenze zwischen Chile und Bolivien fest. Im Pazifischen Krieg Ende des 19. Jahrhunderts fiel diese Grenze, und Chile gewann Teile des südlichen Perus sowie Boliviens Küstenregion hinzu. In den 1970er-Jahren kam es zu Spannungen zwischen Chile unter Augusto Pinochet und Argentinien, Bolivien und Peru. Pinochet fürchtete eine Invasion über die Ata-cama-Wüste und Patagonien. Er ließ 180 000 Landminen entlang der heutigen chilenischen Grenze vergraben – auch unweit jener Grenze von 1866, die auf dem Foto rechts verlief. Unter der Erde liegen noch Tausende Minen, vor denen Schilder warnen. Geplant ist, dass sie noch in diesem Jahr vollständig geräumt werden.São Vicente
Einst teilten sich dieKönigreiche Portugal und Kastilien Ländereien, von denen sie noch gar nichts wussten: Im Vertrag von Tordesillas legten sie 1494 eine Grenze von Nord nach Süd fest, die 1907 Kilometer westlich von Kap Verde lag. Alles östlich dieser Grenze sollte Portugal, alles westlich davon Spanien gehören. Niemand ahnte, dass diese Grenze auch durch das heutige Brasilien verlief – es war noch nicht entdeckt. Später beanspruchte Portugal ganz Brasilien für sich. 1532 gegründet, war São Vicente dort die erste permanente Siedlung. Die Stadt liegt in einer Bucht knapp sechzig Kilometer südlich von São Paulo am Atlantik. Bei der Einfahrt in die Bucht hilft die rechts abgebildete Insel Porchat bei der Orientierung.