»Alles war verrottet«

Während Westvereine die besten Spieler wegkauften, spielte die DDR-Oberliga vor 30 Jahren ihre letzte Saison.
Der Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk über den Ausverkauf des Ostfußballs – der so rabiat ablief, dass Helmut Kohl einen Bundesliga-Manager sogar persönlich zurückpfiff.

Am 25. Mai 1991 stand Hansa Rostock als Meister fest, die Spieler feierten den Aufstieg in die Bundesliga.

Foto: Sven Simon/Ullstein Bild

SZ-Magazin: A3. Oktober 1990 trat die DDR der Bundesrepublik bei und hörte als Staat auf zu existieren. Die letzte Saison der Fußball-Oberliga wurde trotzdem zu Ende gespielt, sodass der letzte DDR-Meister erst im Sommer 1991 feststand. Wie viel Wiedervereinigung steckte in dieser Spielzeit 1990/91?
Ilko-Sascha Kowalczuk:
Fußball war auch in der untergehenden DDR ein Spiegel der Gesellschaft. Beim Saisonstart von Hansa Rostock kam es zu einer denkwürdigen ­Szene, die der damalige Co-Trainer Jürgen Decker, ein Ostler, mal der Zeitschrift 11 Freunde erzählt hat. Er berichtete, dass sich die Mannschaft vor dem ersten Training in einer Reihe aufgestellt habe, um ihren neuen Trainer, den früheren Bundesliga-Profi Uwe Reinders, mit dem Ruf »Sport frei« zu begrüßen, dem alten Gruß der Arbeitersportbewegung. Mit dieser Grußformel hatte in der DDR jede einzelne Sportstunde an den Schulen begonnen und jedes Training einer Mannschaftssportart, oft auch ­die Wettkämpfe. Als die Spieler gerade den Mund aufmachen wollten, so schildert es Decker, grummelte Reinders: »Was soll das denn werden?« Als man es ihm erklärt hatte, sagte er: »Den ganzen Militärscheiß gibt es ab sofort nicht mehr.«