Das Beste aus aller Welt

Wussten Sie, dass Kim Jong-Il gerade weltweit zur Modeikone wird? Möchten Sie Nordkoreas Diktator Ihr Haustier schenken? Kennen Sie schon die 3000 leeren Hotelzimmer des »Ryugyong Hotels« in Pjöngjang? Unser Kolumnist Axel Hacke führt Sie diese Woche durch Nordkoreas seltsamen Internetauftritt.

Nur wenige Menschen in Deutschland (unter ihnen ich) studieren des Öfteren die Internetseite Uriminzokkiri, das ist die offizielle Website der nordkoreanischen Regierung.

Meine besondere Aufmerksamkeit gilt hier den Punkten »Tiere, die Kim Il-Sung geschenkt wurden« sowie »Tiere, die Kim Jong-Il geschenkt wurden und die er verschenkte«, jeweils eine Art Fotoalbum mit Bildern von Tieren aus dem Besitz des Vaters und des Sohnes Kim. Wobei unklar ist, wem eigentlich Kim Jong-Il die Tiere geschenkt hat, die man hier sehen kann. Führt er auf seinen Fahrten durchs Land eine Tier-Karawane mit sich, verschenkt wahllos Nashörner oder Reisfinken an Passanten? Oder muss jeder von uns gewärtig sein, dass eines Morgens ein Bote mit einer wassergefüllten Plastiktüte vor der Tür steht, in der sich ein Metallpanzerwels befindet, mit herzlichen Grüßen aus Pjöngjang?

Jedenfalls sind die Tiervorräte dort geradezu unerschöpflich, immer wieder aufgefüllt von Besuchern aus Äthiopien und Simbabwe, ja, aus Schweden und Tschechien: Haustauben, Schoßhunde, Wölfe, Meerschweine, Goldfische, Pferde aller Art und auch ein Mohrenkopfpapagei, den Kim der Ältere am 23. Juni 1980 von der »Gambischen Gruppe zum Studium des Kimilsungismus« erhielt.

Meistgelesen diese Woche:

Kürzlich wurde auf Uriminzokkiri ein Artikel der Parteizeitung Rodong Sinmun zitiert, in dem es hieß, auf der ganzen Welt beginne sich jetzt auf
unwiderstehliche, nie da gewesene Art ein Modetrend durchzusetzen: Die Menschen, fasziniert von der außerordentlichen Persönlichkeit des Großen Generals, kleideten sich wie Kim Jong-Il, nämlich mit unscheinbaren, stets in Beige oder Graublau gehaltenen Jacken und dazu passenden Hosen.

Wo mag der Korrespondent gewesen sein, der dies berichtete? Auf Rentnertreffen der Partei Die Linke in den neuen Ländern? Und wie hart trifft uns eine solche Meldung jetzt, im Frühjahr, da wir uns nach Farbe sehnen, da wir die Klamotten nicht mehr ertragen, mit denen wir unsere Körper im langen Winter bedeckten, da wir uns gerne endlich ein leichtes, luftiges Kleidungsstück überwürfen?

Plötzlich aber steht vor der Tür ein Asiate, Abgesandter des Labels Kimjongil, mit Geschenk des Großen Modeschöpfers. Und er möchte ein Foto machen von uns in den neuen Sachen, für ein Album auf Uriminzokkiri.

Ich schenke ihm meinerseits die Jeans, die ich seit Wochen jeden zweiten Tag trage, für Kim. Er müsste sie ein wenig kürzen, aber im Bund würde sie kleines dickes Kim sicher passen, denn ich habe zugenommen im Winter. Bruno ist am Telefon: Unbedingt müsse ich im Internet die Seite thecoolist.com ansehen, dort gebe es Bilder von zehn gruselig-schönen modernen Ruinen.

Eine verlassene U-Boot-Basis in der Ukraine, eine ungenutzte U-Bahn-Station in New York, ein verlassenes Beach Resort in Zypern – und siehe da: die 337 Meter hohe Ruine des »Ryugyong Hotels« in Pjöngjang, eines für 3000 Zimmer konzipierten Superhotels, das noch Kim der Ältere zu bauen begann und an dem er bauen ließ, bis er kein Geld mehr hatte oder irgendwelche statischen Probleme so groß wurden, dass er resignierte.

Was war sein Ziel? 3000 Zimmer – für wen? Oder ist es nur Aufgabe des Hauses, das hier aus dem Globus ragende eine Ende der »Achse des Bösen« (George W. Bush) zu verdecken?

Jedenfalls steht da dieses Gespensterhotel, mittlerweile anscheinend wenigstens verglast, aber immer noch leer, man stelle sich vor: Das höchste unbewohnte Gebäude der Welt, ein Spukturm ungeheueren Ausmaßes, das ist auch eine Leistung.

Der Gedanke lässt mich nicht mehr los: wie sich in diesem Gruselgebäude all die Kim’schen Geschenktiere eingerichtet haben, zwischen kahlem grauen Beton, Etagen voller Hausschweine und Marderhunde, Bartgeier und Zebrafinken, Schildkröten und Giraffen und irgendwo in einem scheppernden Lift ein Schimpanse im beigen (oder auch graublauen, jedenfalls in den Farben der Saison gehaltenen) Anzug, der kreischend auf die Knöpfe hämmert.

Dirk Schmidt (Illustration)