Ich war in Frankreich, an der Loire. Weiß eigentlich ein Mensch hier, was in Frankreich an der Loire los ist?! Dort gibt es in den Parks der wunderbaren Loire-Schlösser jede Menge Rosskastanien, aber sie sind so gut wie alle befallen von der Rosskastanienminiermotte. Deren Larven bohren Gänge in die Blätter der Bäume, die Blätter werden braun und welk, und schon im frühen Spätsommer sehen die Bäume aus wie sonst im späten Frühherbst, es ist ein Elend. Man kann das auch in unseren Biergärten sehen, ABER DOCH NICHT SO SCHLIMM!
Ich frage mich wirklich, was werden soll, wenn diese Motte einmal in Bayern eine ernstliche Gefahr werden sollte, unsere gesamte Biergartenkultur wäre am Ende, man kann ja dort nicht unter Eichen sitzen …
In der Zeitung lese ich, dass man das Genom des Kakaos entschlüsselt hat. Auch der Kakao sei, lese ich weiter, von allerhand Schädlingen gefährdet, Pilzen wie dem Kakaokrebs oder der Hexenbesenkrankheit oder Viren wie dem Swollen Shoot-Virus oder Tieren wie der javanischen Kakaomotte. Allein in Brasilien seien schon mal Dreiviertel aller Kakaobohnen von diesem scheußlichen Zeug vernichtet worden, die Genforschung solle jetzt Abhilfe schaffen, in Westafrika zum Beispiel seien ja halbe bis ganze Volkswirtschaften vom Kakao abhängig, lese ich.
Ich frage mich, ob ich nicht auch Wissenschaftler beauftragen sollte, das Genom meiner Kolumne zu erforschen. Gelegentlich sehe ich, wenn ich frühmorgens meinen Kontrollgang durch die Plantagen mache, in denen meine Textsträucher wachsen, kleine Löcher in den Blättern der Pflanzen - ein Alarmzeichen für den erfahrenen Wörterbauern. Kolumnenkrebs? Die Buchstabenminiermotte?
Man stelle sich vor, von den vielen Hunderttausend Texten, die wir wöchentlich mit hochmodernen Pflückmaschinen ernten, damit sie freitags hier erscheinen können, wäre plötzlich ein Großteil unbrauchbar, nicht mehr zu lesen, weil ein Parasit Gänge zur Ablage seiner Eier quer durch die Zeilen gefressen hätte! Ich hätte Lieferprobleme, ich wäre am Arsch, wehrlos.
Ich kenne Kollegen, denen hat ein aus Asien eingeschleppter Käfer ganze Romane erntefrisch vom Baum gefressen, da können Sie sich aufhängen, so was wächst ja nicht mal eben neu.
Genforschung an Texten. Natürlich gibt es Leute, die so was ablehnen, aber die müssen ja nicht alles wissen. Die meisten denken ohnehin, dass ich Das Beste aus aller Welt »schreibe«. Dabei ist diese Kolumne ein landwirtschaftliches Produkt.
Die Chinesen sind, wie man hört, jetzt dazu übergegangen, nicht mehr nur Produkte aus aller Welt einfach nachzubauen, wie es in den Sechziger- und Siebzigerjahren die Japaner machten. Sondern sie werben für die Sachen auch mit einer Art Prominentenklau. Zum Beispiel sieht man ein Foto von der Cello spielenden Prinzessin Diana, bekleidet nur mit Büstenhalter und Slip, dazu die Zeile: »Spüre die Romantik britischen Königtums - Diana Unterwäsche«, produziert von einer Firma, die übersetzt ungefähr »Missgunst International« heißt. Natürlich ist die Frau auf dem Bild nur ein Model, das Diana sehr ähnlich sieht, aber welcher Chinese weiß das schon?
David Beckham soll sehr wütend gewesen sein, als er hörte, dass ihm in einer Anzeige für Potenzmittel die Formulierung zugeschrieben wurde: »Die Geheimwaffe, mit der ich Victoria befriedigen kann.« Wohingegen Warren Buffett den Satz »Das ist die wichtigste Investition in meinem Leben«, mit dem für Eigentumswohnungen in einem Apartmenthaus in der Provinz Shaanxi geworben wurde, tatsächlich gesagt hatte - nur in einem etwas anderen Zusammenhang.
Wer weiß, was in China schon alles »Das Beste aus aller Welt« genannt worden ist!? Wer weiß überhaupt, was in China mit unsereinem geschieht? S. und K., meine alten Freunde, die Sinologen, sagen, Das Beste aus aller Welt heiße im Chinesischen Shi jie shang zui hao de.
Ich gebe das bei Google ein. 863 000 Einträge! Was ist da in China los?
Illustration: Dirk Schmidt