Als ich die Berichterstattung über die Wahl des Umweltministers Röttgen zum CDU-Landesvorsitzenden in Nordrhein-Westfalen studierte, landete ich auf einer türkischen Internet-Seite und las: »Alman Hıristiyan Demokrat Parti’nin (CDU) Kuzey Ren Vestfalya Eyalet Başkanlığı’na Başbakan Angela Merkel’in Prensi olarak adlandırılan ve ünlü aktör George Clooney’ye benzerliğiyle dikkat çeken 45 yaşındaki Norbert Röttgen seçildi.« Weil mein Türkisch nicht ausreichte, klickte ich Diese Seite übersetzen an, mit dem Ergebnis: »Deutsch Christlich Demokratischen Partei (CDU) Bundeskanzlerin Angela Merkel, Präsident des Landes Nordrhein-Westfalen, rief der Prinz von auffallende Ähnlichkeit und der bekannte Schauspieler George Clooney erhielt den Namen 45-jährige Norbert Röttgen.«
Ich fand heraus, dass kurz zuvor die Bunte den Minister mit George Clooney verglichen hatte, ja, sie hatte anscheinend dessen Frau gefragt, wie es sei, »neben einem solchen George Clooney aufzuwachen«. Nun war daraus, weit hinten in der Türkei, geworden, George Clooney habe einen neuen Namen erhalten, er heiße hinfort »45-jährige Norbert Röttgen«, eine unwirkliche Vorstellung: dass türkische Frauen eine Figur namens »45-jährige Norbert Röttgen« anhimmeln, während alle anderen Frauen der Welt weiter träumen, neben George Clooney aufzuwachen oder doch neben ihm nicht einzuschlafen oder jedenfalls nicht sofort.
Interessant ist übrigens, dass solche Vergleiche immer nur in einer Richtung funktionieren. Was würde es George Clooney nützen, wenn eine amerikanische Zeitung ihn mit »45-jährige Norbert Röttgen« vergliche, ja, wenn man seine aktuelle Geliebte fragte, wie es sei, neben »45-jährige Norbert Röttgen« aufzuwachen? Ist es aber für Norbert Röttgen auf Dauer von Vorteil, dass man ihm Ähnlichkeit mit George Clooney attestiert? Man wird sehen. Der größere Teil der Leser wird doch erstens anmerken, dies sei ein wenig übertrieben, und zweitens darauf hinweisen, dass einem Mann auch das süßeste Grübchen im Kinn nichts nützt, wenn es um Fragen der Reaktorsicherheit geht. Drittens darf man nicht vergessen, dass vor vielen Jahren einmal ein stellvertretender Vorsitzender der nordrhein-westfälischen CDU Dieter Pützhofen hieß und als »Kennedy vom Niederrhein« durchs Leben ging. Er wurde dann Oberbürgermeister von Krefeld.
Kennedy ist ja die andere Assoziation, die deutsche Journalis-ten haben, wenn die Haut eines Politikers nicht von Warzen übersät ist und seine Frau ab und zu mal hohe Schuhe trägt. Viele deutsche Bundeskanzler haben als »deutsche Kennedys« angefangen, ob das nun Willy Brandt mit seiner Rut war oder Gerhard Schröder, als noch Hillu sich an seiner Seite befand. Im Moment haben wir sogar zwei Kennedys, der eine ist Bundespräsident. Schon bevor er gewählt wurde, schrieb die Kreiszeitung über Christian Wulff: »Ein Vergleich mit den Kennedys drängt sich doch ein wenig auf.« Damals sang Kristina Bach im weißen Paillettenkleid zu seinem Geburtstag Happy Birthday, Mister President für ihn, das war in Celle, und Frau Bach erinnerte die Kreiszeitung an Marilyn Monroe. Der andere Kennedy heißt, wie jeder weiß, Guttenberg und ist von der deutschen Presse so oft zum Bundeskanzler von morgen ausgerufen worden, dass ihm nicht viel anderes übrig bleiben wird, als es eines Tages auch zu werden – sonst stünde er arg als Versager da.
Übrigens hat die Brigitte im vergangenen Jahr per Abstimmung mal den »deutschen Obama« gesucht. Zur Wahl stand unter anderem der Hamburger Bürgerschaftsabgeordnete Bülent C¸iftlik, auch als »Obama von Altona« (Hamburger Abendblatt) bekannt, ein Politiker, nun ja, mit einem »Hals zum Reinbeißen« (Brigitte), ja, »ein bisschen unrasierter, und wir hielten den Mann für einen nahen Verwandten von Jean-Paul Belmondo« (auch Brigitte), »einfach zum Niederknien« (noch mal Brigitte). Diese Wahl fand aber statt, bevor Obama in der Gunst des amerikanischen Volkes auf seinen jetzigen Tiefstand sank und C¸iftlik wegen Anbahnung einer Scheinehe zu einer Geldstrafe verurteilt wurde. Nun, las ich auf bild.de, müsse Guttenberg dieses Schicksal fürchten, denn »aus dem ›fränkischen Kennedy‹ kann schnell ein deutscher Obama werden«, genüge er den Erwartungen nicht. Das Einzige, was immer erwartungsgemäß funktioniert, sind die Assoziationsapparate der deutschen Presse.
Illustration: Dirk Schmidt