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Neulich las unser Kolumnist, Forscher hätten eine »fünfte Naturkraft« entdeckt. Was waren noch mal die anderen vier?

Bisweilen frage ich mich, warum ich zur Schule ging. Was ist mir geblieben von damals, was habe ich mir gemerkt? Kürzlich las ich zum Beispiel, Forscher hätten »eine neue Naturkraft« entdeckt, »eine fünfte Naturkraft«. Was waren noch mal die anderen vier?

Schüler Hacke? Die anderen vier!? Heraus damit!
Feuer, Wasser, Erde, Luft, Herr Lehrer.
Setzen, Dummkopf! Das sind die vier Elemente. Du da
hinten, was machst du da?
Ich guhgele, Herr Lehrer.
Wie oft habe ich euch gesagt, Ihr sollt nicht guhgeln?! Was hast du herausgefunden?

Es gibt die Bäckerei »Naturkraft« in Detmold, eine Natur-Kraft-Heilpraktikerin in Unterschleißheim, die Firma »Naturkraft« für Forstdienstleistungen in Thüringen sowie das Album Naturkraft der Ein-Mann-Band Horn. Außerdem gibt es den Schauspieler Ed Harris, aber er ist keine Naturkraft, sondern eine Kraftnatur, es stand in der Berliner Zeitung online.

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Unsinn, weg mit dem Geguhgel! Schreibt mit, die vier Naturkräfte sind: die starke Kernkraft, sie sorgt für den Zusammenhalt der Atome, die schwache Kernkraft, die für radioaktive Zerfallsprozesse von Bedeutung ist, die Gravitation und die elektromagnetische Wechselwirkung.

Nie gehört. Ich habe Abitur, ich bin Akademiker, ich lese jeden Tag die Zeitung, meine Schläfen sind grau – aber ich habe nie von diesen vier Naturkräften gehört! Dabei sind die Physiker in heller Aufregung wegen der fünften Naturkraft, manche haben richtig Angst vor der Gewalt ihres Fundes. Ich jedoch lese den Artikel über die Entdeckung und verstehe nicht mal, was diese fünfte Naturkraft sein soll, es hat was mit Masse und Energie zu tun, Protonen, Anti-Protonen, Higgs-Bosonen und mit den großen Teilchenbeschleunigern auf der Welt, in Genf, ja, ja …

Manchmal sehne ich mich nach Zeiten, in denen es darum ging, ob die Erde eine Scheibe sei oder eine Kugel, das hatte etwas Fassbares, da konnte man mitreden. Aber jetzt? Hat nicht Douglas Adams geschrieben, es gebe eine Theorie, wonach das Universum in dem Augenblick, in dem jemand entdecke, wozu es da ist, auf der Stelle verschwinde und durch etwas noch Bizarreres und Unbegreiflicheres ersetzt werde? Und dass es eine andere Theorie gebe, wonach das schon passiert sei?

Wir rennen immer nur hinterher. Wenn die Physiker ein winzig kleines Teilchen entdeckt haben, werden sie darin noch kleinere Teilchen entdecken, und haben sie mal den Urknall enträtselt, werden sie herausfinden, dass der Urknall durch einen Ururknall ausgelöst wurde.

Es ist sinnlos, aber wir tun alles trotzdem. Ich gehe zur Schule und vergesse, was ich gelernt habe. Ich lese ein Buch und vergesse, was drinstand. Ich höre einen Song und vergesse seinen Inhalt, ja, ich werde vergessen, dass ich ihn überhaupt je gehört habe.

Das Vergessen ist auch eine Naturkraft, glaube ich. Hier sind meine vier Naturkräfte: das Vergessen, das Nicht-Kapieren, das Trotzdem-Tun und das Drüber-Lachen. Mit ihnen bin ich durchs Leben gekommen bis jetzt, da wird es für den Rest auch reichen – und wenn nicht, werden die Forscher vielleicht eine fünfte Hacke-Kraft entdecken.

Übrigens bin ich der Ansicht, dass die ganze Welt nach diesen Prinzipien konstruiert wurde. Ich vermute, dass unser Universum seinerzeit an der Götterschule von einem nicht besonders begabten Gottesschüler entworfen wurde, der damit in der Prüfung aber durchfiel und dann sein Werk in einer Schublade verstaute, weil er heiteren Sinnes im Park spielen ging. In dieser Schublade leben wir, ratlos, eifrig und voller Sehnsucht nach dem Gott, der uns vergaß.

Es gibt anderswo viel bessere Universen von viel klügeren Göttern, aber wir kennen sie nicht und werden sie nie kennenlernen, da können unsere Forscher sich zerforschen, soviel sie wollen. Schade irgendwie. Aber anscheinend nicht zu ändern.