Blättern in Zeitschriften. Interessant ist, dass man kaum ein deutsches Frauenblatt, eine Illustrierte oder sonst ein buntes Heft aufschlagen kann, ohne bald auf einen Artikel oder ein Inserat (genau ist das nicht immer zu unterscheiden) mit Bildern folgender Art zu stoßen: nackte Frau, sitzend, Schlammpackung auf dem gebogenen Rücken; nackte Frau, bäuchlings liegend, bedeckt von Moor; nackte Frau, der Körper insgesamt in dunkel glänzendes Erdreich gehüllt; nackte Frau, das Gesicht von einer braunen Masse überzogen, nur die Augen von Salatgurkenscheiben freigehalten; nackte Frau, deren Leib von den Händen eines Massageknechtes mit einer Art feuchten Torfs bedeckt wird; nackte Frau, ratlos aus einer Schlammbadewanne herausblickend wie aus einem Sumpfloch.
Man nennt das Wellness, aber es ist auch seltsam. Dass die Träume der Frauen (denn von solchen ist in den Artikeln resp. Inseraten die Rede) sich heute zu erheblichen Teilen darauf richten, oberhalb der Erdoberfläche lebendig begraben zu werden. Na, begraben …
Es geht um totale Passivität in kompletter Nacktheit, kombiniert mit feuchter Ackerkrume, ein Sichbetatschenlassen von fremden Händen ohne jedes eigene Handeln, ein die Grenzen des Gepampertwerdens berührendes Nichtsmehrtunmüssen.
Sind Frauen vom Leben so überfordert, dass ihre dringendsten Wünsche sich darauf richten, in Ruhe nackt unter Erde zu liegen?
Zu den Männern. In der Welt am Sonntag las ich ein Interview mit dem Fußballtrainer Löw. Oder war es ein Inserat? Jedenfalls ging es um die Tatsache, dass Löw zum dritten Mal als »Markenbotschafter« für Nivea verpflichtet wurde, weshalb er sich hier gesprächsweise zu Problemen seiner Hautbeschaffenheit, seiner Bademantelfarbe und seines Haarwuchses äußerte und zu der Frage, nach was ein Siegestor, ja, der Sieg überhaupt dufte. Antwort: »Herb, nachhaltig, ein ganz tief gehender Geruch. Erdig, innere Freude.« Während Nivea, wie die Interviewerin zu erwähnen nicht vergaß, nach Maiglöckchen rieche, auch Jasmin.
Nachhaltig und tief gehend beschäftigt mich die Antwort Löws auf die Frage nach seinem Pony, warum er also diese letztlich seltsame, visierähnlich-jungenhafte Frisur trage. Löw sagte, er sei gegen seinen Haarwuchs machtlos, »meine Haare wachsen nämlich, was mich stört, nach vorne«. Wer von uns hätte sich je Gedanken über die Richtung seines Haarwuchses gemacht? Man ist ja froh, dass Haare nicht nach innen wachsen, in den Schädel hinein, das wäre schrecklich, sie sich morgens aus dem Kopf herausziehen zu müssen, mit einer Pinzette vielleicht, bevor sie das Hirn kitzeln. Nach vorne wachsende Haare.
Die WamS-Interviewerin griff dem Trainer mit geradezu investigativer Gebärde gesprächsweise in die sich ihr ja ohnehin entgegendrängende Löw-Mähne: »Dachte ich mir doch, alles echt!« Was uns sofort daran erinnert, dass wir es jahrelang mit dem Minister zu Guttenberg zu tun hatten, dem erstens die Haare nach hinten wuchsen, dass es nur so eine Art hatte, und bei dem zweitens ein prüfender Griff in den Schopf gar nicht einfach gewesen wäre, die gegelten Strähnen wären einem leicht entflutscht. Ob wenigstens seine Haare dem eigenen Kopf entstammen?
Ein Blick in den Spiegel. Ein Mann im Mai. Was ist über Männer im Mai jetzt zu sagen? Es gibt ein Alter, in dem es ihnen egal ist, ob Haare nach vorn wachsen oder hinten – Hauptsache, sie wachsen. Diese Männer möchten aus der Fülle schöpfen, kein Haar zwischen den Fingern sehen, wenn sie sich morgens durch den Schopf fahren, es soll etwas wehen im Frühlingswind, wenn sie aus dem Haus treten, vom herb-nachhaltigen, tief gehenden Geruch des Sieges umwölkt, die Haare, doch: nach vorne gerichtet, auch nach vielen Jahren neuen Zielen entgegeneilend, die Haut ihretwegen mit Maiglöckchenduft, auch Jasmingeruch vollgesogen. Männer im Mai möchten die Blicke der Frauen spüren, aus deren Schlammlöchern heraus, auf ihren von erdig-innerer Freude erfüllten Körpern.
Illustration: Dirk Schmidt