Als ich las, der CSU-Vorsitzende Seehofer werde einen Koalitionsvertrag nur dann unterschreiben, wenn damit eine Pkw-Maut auf deutschen Autobahnen eingeführt werde, als ich dann hörte, die Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Merkel werde der Einführung einer solchen Maut auf keinen Fall zustimmen, und als ich drittens bedachte, dass CDU und CSU noch immer, wenn sie regierten, irgendwie gemeinsam regiert haben – da fiel mir ein: Die Pkw-Maut wird also die erste politische Maßnahme sein, die zugleich ergriffen und nicht ergriffen wird.
Das ist eine gute Nachricht für alle Unentschlossenen. Dinge können gleichzeitig getan und nicht getan werden, eine revolutionäre Neuerung im Staatswesen. Endlich ist gesichert, dass in jedem Fall geschieht, was die Bürger wollen. Sie werden immer zu hundert Prozent zufrieden sein. Gleichzeitig werden sie komplett unzufrieden sein.
Die Pkw-Maut soll, wie wir wissen, die Ausländer betreffen, die mit ihren Kraftfahrzeugen deutsche Autobahnen benutzen. Das Ausland ist ja, wie vor allem CSU-Wähler dank der herausragenden Informationspolitik der Parteispitze wissen, immer darauf aus, uns Deutschen einen Vorteil abzuluchsen. Kommen wir in andere Länder, müssen wir dort zunächst einmal feststellen: Man lässt uns zahlen. Nicht nur in Frankreich, der Schweiz, Österreich und den Niederlanden wird uns Geld abgenommen, nein, auch in Italien, Spanien oder sogar Griechenland, Ländern also, die ohne unsere großzügig geschnürten Rettungspakete schon längst überhaupt keine Straßen mehr hätten, auch dort mithin müssen wir für eine Selbstverständlichkeit Gebühren entrichten: dass wir ja gar nicht anders können, als Autobahnen zu befahren. Wo sollen wir denn sonst hin mit unseren weltweit führenden und allen anderen Personenfahrzeugen weit überlegenen Autos?
Es kann keine Frage sein, dass dies nach Rache schreit! Im Berliner Tagesspiegel habe ich dieser Tage gelesen, man müsse über die Pkw-Maut hinaus auch eine Geschwindigkeitsbeschränkung für Ausländer einführen, was im Grunde logisch ist, schließlich dürfen wir ja mehr oder weniger im gesamten europäischen Ausland auch nicht auf die Tube drücken, wie wir wollen und ja - in aller Bescheidenheit - auch sehr leicht könnten.
Ich bin dennoch anderer Ansicht. Im Gegenteil sollten Ausländer auf deutschen Autobahnen eine Mindestgeschwindigkeit zu beachten haben, einfach, damit sie schneller wieder weg sind. Angenehmer Nebeneffekt: Schriebe man dem Holländer oder dem Dänen vor, er habe stets mindestens 180 zu fahren, würde er schon sehen, wo er mit seinen gottverdammten Wohnanhängern bleibt. Dass er auch unsere Raststätten nicht einfach so zur Ruhe nutzen dürfte, ist klar, es sei denn, er fegte anschließend dort gründlich aus, kümmerte sich um die Toilettenreinigung und nähme ein paar Tüten Müll mit, ins Ausland natürlich. Warum sollen wir das machen, nur damit der Herr Ausländer hier alles picobello vorfindet?
Ohnehin sollte klar sein, dass eine solche Pkw-Maut nur ein Anfang sein kann. Wir sorgen mit unserer Hände Arbeit dafür, dass sich in der Mitte Europas ein super aufgeräumtes Land mit sauberer Luft, fließendem Wasser, leise klappernden Windrädern und reichlich Kanu-Weltmeistern befindet. Wir könnten jederzeit dieses Land nehmen und damit woanders hingehen, auf allen Kontinenten wären wir willkommen, man würde ein Land wie unseres mit offenen Armen empfangen.
Wäre es nicht richtig, für das Betreten eines solchen Staates im Ganzen Eintritt zu nehmen: nicht nur auf den Autobahnen, sondern überhaupt? Kleine Kassenhäuschen an den Grenzen, wir böten auch Familien- und Saisonkarten an, alles maßvoll, alles im Rahmen, alles rein in den Koalitionsvertrag und dann auch wieder nicht, die einen sagen so, die anderen so, ein wunderbares, sehr widersprüchliches und doch ganz eindeutiges Land. Zur preiswerten Durchreise sehr zu empfehlen.
Illustration: Dirk Schmidt